Das neue Programm von Simon Enzler wird fast zum Theaterstück: Als frustrierter Sozialarbeiter scheitert er mit seinem Bratwurststand und ärgert sich über Vegetarier, Waffenexporte und Thurgauer. Ein sehr lustiger und philosophischer Alltagsklamauk.
Hoppla, will da tatsächlich einer seine Ehefrau über tutti.ch verramschen? Wie er da am Handy verhandelt, führt uns Simon Enzler schon in der Eingangsnummer aufs Glatteis des angedeuteten Zynismus. Das beherrscht der Appenzeller Kabarettist perfekt.
Einen dicken Hals bekommt der Bühnen-Enzler auch immer noch schnell. Immer dann, wenn ihm seine ureigenen, komisch-waghalsigen Wahrheiten zu Kopf steigen. In seiner Paraderolle als cholerischer, selbstgefälliger Bünzli schimpft er dann jeweils unbeherrscht los. Das kennt man aus seinen früheren Programmen. «Wahrhalsig» heisst denn auch konsequent sein neuster Streich. Was wieder perfekt funktioniert und zehnmal die St. Galler Kellerbühne füllt, bevor er auf Schweizer Tournee geht.
Stärker noch als im vorangehenden Programm knüpft Enzler seine Nummern an einen dramaturgischen roten Faden. Zudem löst er sich vom Klischee-Appenzeller. Stattdessen schlüpft er in die Haut eines frustrierten Sozialarbeiters, der nach 23 Jahren seinen Job kündigt und sich als Streetfood-Unternehmer versucht: Mit Bratwurst und Kaffeemaschine im umgebauten Campingwagen. Das geht natürlich komplett in die Hosen – weshalb er aus dieser Frustration über Vegetarier, Flexitarier, Schweizer Handgranaten in Saudi-Arabien und einiges mehr ins Schimpfen gerät.
Das ist sehr lustig, und man stimmt ihm oft einfach zu. Dramaturgisch ist da noch Potenzial: Enzler könnte seine noch immer recht lose verbundenen Nummern noch stärker mit der Grundgeschichte verknüpfen. Wer weiss, vielleicht wird ja aus Enzler doch noch ein Theaterautor.
Stilistisch ausgewogen kommt das neue Programm daher und variiert mehr als in früheren Programmen seinen Humor, stellt mal auf leise, mal auf laut: Da schmunzelt man über den gescheiterten Möchtegern-Unternehmer und lacht ausgelassen über die Alltagscholerik, in die Enzler eine starke Prise Politsatire streut und immer wieder mit philosophischer Lebensbetrachtung würzt.
Beim Schweizer Waffenexport durchschaut man den Zynismus rasch. Wenn er dann nach einem waghalsigen Exkurs in die Ernährungsgeschichte von der Urzeit der riskanten Jagd bis in die laktosefreie Gegenwart ins Publikum zwinkert, dann fühlt man sich schmunzelnd ertappt:
«Überlebt haben nicht die Mutigen, sondern die Angsthasen. Die sitzen jetzt neben Ihnen im Theater, meine lieben Damen.»
Simon Enzler steht wie gewohnt mit wenigen Requisiten alleine auf der Bühne, muss ständig am Handy Probleme lösen und macht es sich zwischendurch auf seinem Campingstühlchen bequem. Mal mit Bauernschläue, mal als Neidhammel, zwischendurch auch mit ein paar verdrückten Tränen wird seine Figur zum komischen, rührenden Zeitgenossen.
Man hört Simon Enzler gerne zu, wenn er über Wahrheit philosophiert – und wenn er dann zwecks Geschmacksverstärkung die Bratwurst mit Balsamico würzen will, zeigt er auch noch Talent für das Groteske.
Alle Vorpremieren und die Premiere am 27. 2. in der Kellerbühne St. Gallen sind ausverkauft.