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Kultur
Das Zusammenspiel zwischen Architektur und Kunst wird ausserdem in mehreren Artikeln beleuchtet.
Der Einstieg ist ebenso grossartig wie anregend: Da ist kein Text, sondern sind nur Bilder, Doppelseiten mit Gegenüberstellungen von Kunstwerk und Architektur. Formale Verwandtschaften klingen dabei an – etwa eine digital generierte, bruchstückhafte Raumansicht von Sebastian Stadler neben einer abstrakten Lithografie von Eduardo Chillida. Da zeigt sich, dass sich zwei Disziplinen gleichwertig begegnen. Das Buch, in dem das passiert, trägt den entsprechenden Titel: «Kunst + Bau». Initiiert und herausgegeben wurde es von Maria Nänny, der Kunstverantwortlichen der Fachhochschule St.Gallen.
Die Publikation ist die Antwort auf den immer wieder formulierten Wunsch nach einer Broschüre zur Kunstsammlung der Fachhochschule. Geworden ist es mehr als das. Es dient sowohl als Architektur- als auch Kunstführer und ist obendrein ein schönes Buch, praktisch in der Grösse, überzeugend in Typografie und Materialität. Sie gehen auf den Buchgestalter Roland Brauchli zurück. Der textlose Einstieg war Nänny und ihm ein grosses Anliegen. Nänny formuliert es so: «Das Schauen ist das Wichtige, nicht den Anspruch zu haben, mit dem Kopf zu verstehen, sondern die Sinne mündig zu machen.»
Nänny erhofft sich vom Buch, dass das öffentliche Interesse für die Kunstsammlung zunimmt, mehr Leute die Fachhochschule betreten und durch die Gänge wandeln. Und sie möchte eine Basis legen für unkonventionelle Kunst-und-Bau-Konzepte: Bei einem Grossteil der gezeigten Werke handelt es sich um Grafiken aus der Sammlung der Erker Galerie. Teile dieser Sammlung sind in jährlich wechselnden Präsentationen im öffentlichen Bereich der Fachhochschule ausgestellt.
Momentan kann man sich im ersten Obergeschoss in dunkle Holzschnitte der norwegischen Künstlerin Anna-Eva Bergman vertiefen, einer der wenigen Frauen in der Sammlung. Dieser Männerclub ist irritierend – im Buch wie vor Ort. Nänny ist sich dessen bewusst; die nächste Intervention soll mit einer Künstlerin erfolgen.
Ein Textbeitrag der Zürcher Architekten Giuliani Hönger zeigt die Überlegungen hinter dem Bau auf, allerdings ist er ziemlich fachsprachlich ausgefallen. Interessant wird es dort, wo auf innerstädtische Referenzen wie beige Sandsteinfassaden eingegangen wird. Diese dürften aber konkreter benannt werden. Spannend gewesen wäre auch ein Statement von Nänni zur Zukunft: Wie bleibt die Sammlung jung und frisch?
Gelungen sind die Texte von Elias Torra über den grossformatigen Grafikzyklus von Tàpies im Erdgeschoss sowie jener von Nänni über die flirrenden Druckgrafiken von Günther Uecker. Sie fördern den genauen Blick und den freien Geist – das ist hohe Buchkunst.
«Kunst+Bau – Der Neubau der FHS St.Gallen», Park Books, 200 Seiten, 39 Franken.