Viel zu gross

LESBAR BERLIN «Berlin ist zu gross für Berlin» erzählt von einer Stadt, die sich in all ihren Versuchen der «Neu-Erfindung» immer in die Weite, die Fläche gedehnt hat, statt sich konzentriert und urban zu verdichten.

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LESBAR BERLIN

«Berlin ist zu gross für Berlin» erzählt von einer Stadt, die sich in all ihren Versuchen der «Neu-Erfindung» immer in die Weite, die Fläche gedehnt hat, statt sich konzentriert und urban zu verdichten. Schauspieler, Fotograf und Publizist Hanns Zischler ist als Stadtwanderer unterwegs und begibt sich mit der Genauigkeit eines Archäologen an Schauplätze – wie etwa den aus Kriegstrümmern aufgeschütteten Teufelsberg – und liest diese in ihrer Geschichte und Symbolik. Dazu gehören auch Lebensgeschichten, die für Zischler ebenfalls die «Eingeweide» der Stadt ausmachen: Überlebenskünstler Oskar Huth, oder die «hellwache Schlafwandlerin» Gertrud Kolmar. Was anfangs beliebig erscheint, erweist sich von Kapitel zu Kapitel mehr als weitgreifende und tiefreichende Versuche der Ergründung Berlins und seiner so oft gewaltsamen Veränderungen –, denen der Spurenleser und Chronist Zischler immer wieder Gegenbilder entgegenhält: Auch so hätte es kommen können, auch so könnte es morgen weitergehen. Eine spannende Stadt-Anschauung für Fortgeschrittene.

Hanns Zischler: Berlin ist zu gross für Berlin, Galiani 2013, 175 S., Fr. 37.90

Alles antik

Zahlreich sitzen die Greife als Himmelswächter auf Berliner Dächern oder Balkonen. Ob Humboldt-Uni oder Reichstag, Kudamm oder Theater des Westens: Berlin hat auf Schritt und Tritt Antike – meist in klassizistischer Form – zu bieten. Auf sechs Spaziergängen durch Berlin werden die Leser des schmalen, gut in die Manteltasche passenden Bändchens zu den «Strassenkindern» der Antike in Charlottenburg und Kreuzberg, Mitte und Regierungsviertel geführt; nicht selten lädt Autorin und Altertumswissenschafterin Susanne Weiss auch zu einem Abstecher in die Museen ein, wo die «feinen Verwandten» auf dem Sockel stehen. Ob beim Gang durch die Dahlemer Villengegend oder auch beim Blick auf die Pflanzenwelt des Botanischen Gartens mit Lorbeer, Myrte und Olivenbaum: der «Wille zum Antikisieren» war bei den Bauherren Berlins im 18. und 19. Jahrhundert eben fester Bestandteil des Programms.

Susanne Weiss: Athene an der Spree. Berliner Spaziergänge in die Antike, Philipp von Zabern 2013, 100 S., Fr. 21.90

Bernadette Conrad