Alle sind sie gekommen, um den Choreografen Martin Schläpfer zu feiern: Brüder, Verwandte, Primarschulfreunde, Ballett-Promis und Politiker. Schläpfer hat schon viele Preise erhalten, doch dieser sei etwas ganz Besonderes: Eine Würdigung aus der Heimat. Und dann steht eine St.Galler Premiere an.
Da steht er, den riesigen Blumenstrauss in den Händen haltend und die Urkunde. Bravo-Rufe mischen sich in den Applaus. Sichtlich gerührt tritt Martin Schläpfer ans Rednerpult. Nach Würdigungen, Zäuerli, Laudatio und Tanzvorführung ist der Geehrte selber dran. Diese Würdigung aus der Heimat, aus dem St.Gallischen, an diesem besonderen Ort, sie erfreut und berührt ihn.
Die Kunstzone in der St.Galler Lokremise ist am Montagabend gut besucht. Viele wollen dabei sein, wenn Choreograf und Ballettdirektor Martin Schläpfer den mit 30'000 Franken dotierten grossen Kulturpreis der St.Gallischen Kulturstiftung entgegennimmt.
Seine Brüder, Verwandte, ehemalige Mitschüler aus der Primarzeit, Freunde, Tanzliebhaberinnen. Regierungsrat Martin Klöti, Stadtpräsident Thomas Scheitlin, Stadträte Maria Pappa und Markus Buschor. Laudator Gerhard Brunner, ehemaliger Ballettdirektor Wien.
Marianne Fuchs ist da, Schläpfers erste Ballettlehrerin, durch sie kam er als 15-Jähriger in St.Gallen überhaupt zum Tanz. Heinz Spoerli, Choreograf und ehemaliger Ballettdirektor, unter ihm avancierte Schläpfer zum gefeierten Solotänzer. Hans van Manen, Vorbild und Choreografenfreund, der für Schläpfer 2014 das Solo «Alltag» erschuf.
Das Tanzen überlässt Martin Schläpfer an der Preisverleihung seinen Tänzerinnen und Tänzern. Die Choreografien sind nicht neu, trotzdem ist es eine St.Galler Premiere: Zum ersten Mal überhaupt werden hier Werke von Schläpfer aufgeführt. Marlúcia do Amaral, seit dem Jahr 2000 bei Schläpfer, tanzt «Ramifications».
Das Solo von 2005 hat nichts von seiner Kraft eingebüsst, im Gegenteil. Zu György Ligetis summenden, flirrenden Klängen erobert Amaral langsam Raum und Körper, als würde sie Bewegungen testen. Hände flackern, Finger stechen in die Luft, der Körper wird von Klängen zu Boden gedrückt. Amaral durchlebt im eindrücklichen Solo Beklemmung, Freude, Angst, Befreiung, Schmerz.
Poetischer der Walzer für Violine und Gitarre aus Schläpfers Choreografie «Pezzi und Tänze», die er 2008 für das Ballett Mainz erschuf. Yuko Kato, seit 21 Jahren Tänzerin bei Schläpfer, und Marcos Menha (seit 2011 beim Ballett am Rhein) suchen einander, finden und verlieren und finden sich. Ein Tanz voller Witz und Magie, auch schmerzhaft, über die Absurditäten und Verirrungen eines Paares. Aber die Zärtlichkeit siegt.
«Dem Ballett eine Bedeutung zu verleihen, die sich ganz im Heute, in der Zerrissenheit aber auch den Glücksmomenten menschlicher Existenz verankert, das charakterisiert das Schaffen von Martin Schläpfer», heisst es im Urkundentext. Die zwei kleinen Ballette zeigen das eindrücklich. Gerne mehr davon.