Tierisch erfolgreich

Diese Kinosaison ist beherrscht von Vierbeinern: Vom klugen Hund in «The Artist» bis zum tapferen Pferd in Spielbergs «War Horse». Ein Rückblick auf beliebte Tiere im Hollywoodkino und ein augenzwinkerndes Plädoyer für einen Oscar für das beste Tier.

Daniel Kothenschulte
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Dieses Pferd spielt die Hauptrolle im melodramatischen Epos «War Horse» von Steven Spielberg. Wie der Hund aus «The Artist» wäre es eine Oscar-reife Leistung. (Bild: pd)

Dieses Pferd spielt die Hauptrolle im melodramatischen Epos «War Horse» von Steven Spielberg. Wie der Hund aus «The Artist» wäre es eine Oscar-reife Leistung. (Bild: pd)

Ein moderner Stummfilm erobert gerade die Welt, und seit zwei Wochen läuft er auch auch in den Schweizer Kinos; längst gehört er auch zu den Oscar-Favoriten: «The Artist», die melodramatische Komödie um einen gefallenen Filmstar, dürfte die Herzen der abstimmungsberechtigten Hollywoodgrössen an den empfindlichsten Stellen brechen, nämlich dort, wo die liebsten Kinoerinnerungen sitzen. Dem heimlichen Star des Films mit Namen Uggie werden sie leider dennoch keine Stimme geben können, denn der ist ja «nur» ein Hund. Aber was für einer. Wenn der Jack-Russell-Terrier bei einem Brand zur Rettung seines Herrchen eilt, tritt er in die Pfotenstapfen einer ganzen Legion von Kinohunden.

Der erste Hunde-Weltstar

Charlie Chaplin erwies sich in seinem Klassiker «Ein Hundeleben» als Pionier, und die «kleinen Strolche» hatten einen bemalten Pitbull namens Petey. Doch der erste Hunde-Weltstar der 1920er-Jahre war natürlich Rin Tin Tin. Bei 26 Hauptrollen gelang dem Deutschen Schäferhund nicht nur – anders als vielen menschlichen Stummfilmstars – kläffend leicht der Übergang zum Tonfilm. Als «The Wonderdog» bekam er 1930 sogar seine eigene Radioshow. Zeitweilig hatte er es auf eine Wochengage von 6000 Dollar gebracht, und selbst um die Umstände seines friedlichen Ablebens wurde er von gestandenen Mannsbildern beneidet: 1932 verstarb er, 13jährig, im Beisein der Hollywood-Sexbombe Jean Harlow. Noch heute hält ein Stern auf dem Hollywood Walk of Fame die Erinnerung an Rin Tin Tin lebendig. Seine sterblichen Überreste ruhen in seiner französischen Heimat, auf dem Tierfriedhof in Asnières-sur-Seine.

Film macht Hunderasse populär

Doch Uggie, der Hundekünstler in «The Artist», hat noch ein weiteres unvergessliches Kinovorbild. Jeder wahre Filmfan kennt den Drahthaar-Terrier aus den spritzigen Screwball-Komödien der 30er- und 40er-Jahre. Sein Geburtsname war Skippy, berühmt wurde er als Asta, treuer Begleiter der Gelegenheitsdetektive William Powell und Myrna Loy in der Filmreihe «Der dünne Mann». Sein Temperament entsprach dem Charakter der Komödien, in denen er spielte: Er war so quirlig, smart und mondän wie der Geist seiner Zeit. Andere Namen trug er in weiteren Filmklassikern: Als «Mr. Smith» und «George» sprang er um Cary Grants elegante Hosenbeine in den Filmen «Die schreckliche Wahrheit» und «Leoparden küsst man nicht». Und als «Mr. Atlas» sonnte sich in der Komödie «Topper geht auf Reisen» Constance Bennett in seinem Ruhm. Dieser Ruhm strahlte bald auf die ganze Rasse ab, die durch ihn so beliebt wurde, dass es zu Überzüchtungen kam.

Gäbe es Tier-Oscars – und warum sollte diese Kategorie eigentlich nicht eingeführt werden –, hätte man Asta gewiss für sein Lebenswerk ausgezeichnet. So wie in diesem Jahr die Trophäe wohl seinem Artgenossen Uggie sicher wäre, der noch in einem zweiten Film brillierte. In «Wasser für die Elefanten» kann man sich davon überzeugen, dass er keineswegs so schwarzweiss gefärbt ist, wie es in «The Artist» erscheinen mag, sondern ein braun-weisses Köpfchen hat. Allerdings hatte die Kamera oft ihre liebe Not damit, ihn gemeinsam mit den Dickhäutern in angemessener Grösse abzubilden.

Ein Ackergaul als Held

«Wenn ich nicht mehr weiter weiss in einer Szene», gestand mir einmal in einem Interview der «Pretty Woman»-Regisseur Garry Marshall, «dann schneide ich einfach auf ein Tier». Seine Filme wimmeln nur so von Hunden und Katzen in Kleinstrollen.

Für den Tier-Oscar 2012 wollen wir uns dennoch den tragenden Haupt- und Nebenrollen zuwenden. Im dramatischen Fach stähle wohl ein Pferd unter dem Rollennamen Joey allen Mitbewerbern die Schau. Es ist das «War Horse», die Titelfigur in Steven Spielbergs Epos «Gefährten» (Schweizer Filmstart: 16. Februar), das eine Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg konsequent aus der Perspektive eins zwangsrekrutierten Ackergauls beleuchtet. Dem Meisterregisseur gelang ein Tierfilm, wie es noch keinen gegeben hat, inklusive seines eigenen «Tim und Struppi». Selbst Walt Disney, dessen Realfilme wie «Sein Freund Yello», «Perris Abenteuer» oder «Mein Freund Red» in den 1950er-Jahren Massstäbe setzten, müsste «Gefährten» bewundern.

Das einzige Problem bei unseren Tier-Oscars: Es würde sehr eng auf der Bühne. Spielberg, der Tierquälerei ebenso ablehnte wie die Möglichkeit, das Pferd im Computer zu erschaffen, besetzte die Rolle gleich vierzehnfach.

Zoologisch betrachtet erwies sich bereits das Kinojahr 2011 für Hollywood als tierisch erfolgreich. 110 Millionen Dollar spielte allein «Der Zoowärter» ein, in dem die Tiere von Stars wie Sylvester Stallone oder Nick Nolte gesprochen werden. «Mr. Poppers Pinguine» mit Jim Carrey brachten es gar auf 122 Millionen. Und selbst ein kleiner Kinderfilm wie der vorzügliche «Mein Freund der Delphin» erwies sich mit einem Einspielergebnis von 58 Millionen Dollar als überaus profitabel. Auch bei den Tier-Oscars würde dieser anrührende Film um die Mühen, einen verletzten Meeressäuger mit einer künstlichen Schwanzflosse zu versorgen, viele Sympathiepunkte sammeln. Ein Delphinarium würde man wohl dennoch nicht auf der Bühne sehen – denn zu den Anliegen dieses Films zählt auch die artgerechte Haltung.

«Mein Freund der Delphin» war auch ein Gegenentwurf zu den oft leidvollen Dreharbeiten früherer Tierfilme. Das Wissen um die Tierquälerei auf den Filmsets hat das Vergnügen an der Fernsehserie «Flipper» gründlich verleidet. Hier folgte nun ein Delphinfilm, der nicht nur mit einer ähnlichen Geschichte aus Florida das alte Gefühl für den klugen Meeressäuger zurückbrachte. Zudem machte er mit einem Hauptdarsteller bekannt, der nur in Gefangenschaft überleben konnte: Delphin «Winter» spielte sich in diesem Drama selbst – und bereitet uns Tierfilmfreunden kein schlechtes Gewissen.

Uggie, the dog, from the film "The Artist" arrives at the 69th Annual Golden Globe Awards Sunday, Jan. 15, 2012, in Los Angeles. (AP Photo/Matt Sayles) (Bild: Matt Sayles (AP))

Uggie, the dog, from the film "The Artist" arrives at the 69th Annual Golden Globe Awards Sunday, Jan. 15, 2012, in Los Angeles. (AP Photo/Matt Sayles) (Bild: Matt Sayles (AP))