Die 9. Ausgabe des Frauenfelder Jazzfestivals Generations ist in vollem Gange. Das gelungene Auftaktkonzert hat eine aussergewöhnliche Gruppe mit vier Kontrabassisten bestritten.
FRAUENFELD. Ohne Bass läuft im Jazz fast nichts. Mehrere Bässe trifft man allerdings in Jazzgruppen höchst selten an; berühmte Beispiele mit zwei Bassisten sind die Alben «Free Jazz» von Ornette Coleman und «Olé» von John Coltrane. Eine Jazzgruppe, die ausschliesslich aus Bässen besteht, ist ein extremer Sonderfall. Um einen solchen handelt es sich beim Quartett, dass das 9. Generations mit einem Konzert in der Aula der Kantonsschule eröffnet hat: Mit Heiri Känzig, Christoph Sprenger und Christian Weber hat Kontrabassist Rätus Flisch drei profilierte Kollegen um sich geschart und ein abwechslungsreiches, stimmungsvolles Programm einstudiert.
Das Quartett spielte ohne Verstärkung, wodurch sich ein sehr angenehmes, warmes und transparentes Klangbild ergab. Und so merkte man schnell, dass der Kontrabass zwar ein imposantes, aber kein besonders lautes Instrument ist – in «normalen» Jazzbands wird er oft verstärkt, weil er sonst vom Schlagzeug «verschluckt» würde.
Wenn mehrere Bässe zusammenspielen, ergeben sich durch minimale Differenzen in der Intonation immer wieder Interferenzen und Reibungen, denen etwas Archaisches anhaftet (ähnlich wie bei Alphörnern). Diese spezifische Eigenheit wurde von den vier Bassisten durchaus genutzt, wenn man sich auch zuweilen noch etwas mehr Mut zu unreinen Reibereien gewünscht hätte.
Dass es nur gerade bei einem besonders zupackenden Solo Känzigs Sonderapplaus gab, zeigt, dass sich dieses Bass-Quartett nicht an typischen Jazzkonventionen orientiert, sondern kollektive Spielprozesse in den Vordergrund stellt: Bei einem Instrument, das normalerweise in erster Linie Begleitfunktionen zu erfüllen hat, ist dieses stark kooperative Vorgehen eigentlich nur logisch. Und so gab es ein angeregtes Wechselspiel zwischen arrangierten und improvisierten Parts zu verfolgen, wobei das Repertoire ein breites Spektrum abdeckte, das von der Bearbeitung eines Emmentaler Volksliedes bis zum Quasi-Blues «Suburban Dues» reichte.
Zusätzliche Auflockerung brachten Performance-Einlagen. So legte Sprenger bei einem Stück seinen Bass auf den Boden, um ihn mit Schlegeln zu traktieren, während Flisch und Känzig ihre Instrumente zu Mummenschanz-Masken umfunktionierten.
Ein weiteres Kontrabass-Ensemble wird es am Generations zwar nicht mehr zu hören geben. Aber bis Mittwoch gastieren im Theater im Eisenwerk drei verschiedene Saxophon- respektive Holzbläser-Quartette, nämlich die Spittin' Horns aus der Schweiz, die Munich Saxophone Family (bei der auch Festivalleiter Roman Schwaller mitwirkt) sowie Saxofour aus Österreich: eine äusserst attraktive Zusammenstellung von Sonderfällen.
Dass das Programm insgesamt von konventionell instrumentierten Trio- und Quartett-Formationen dominiert wird, zeigt, wo die Kernkompetenz des Jazz liegt: in der spontanen Interaktion von Bläsern beziehungsweise Pianisten mit Rhythmusgruppen, die aus einem Bassisten und einem Schlagzeuger bestehen (Frauen bilden im Jazz nach wie vor eine Minderheit; so treten nur gerade eine Saxophonistin und eine Sängerin auf).
Gerne hätten wir am Auftaktabend das Konzert des Kernkompetenz-Quartetts mit Andy Scherrer (Tenorsax), William Evans (Piano), Stephan Kurmann (Bass) und Jorge Rossy (Schlagzeug) besucht, doch zum Leidwesen fand dieses unangekündigt in einem Raucherlokal statt. Morgen wird die Gruppe ohne krebserregende Rauchschwaden zu erleben sein: Nimmt man die im letzten Jahr veröffentlichte CD «Out of the Bird's Eye» zum Richtwert, darf man sich auf 100%-Jazz ohne Konzept-Mätzchen freuen.
Noch bis 4.10. www.generations.ch