Das Stadttheater gilt als die älteste Bühne Europas, auf der durchgehend Theater stattfand. Im Publikum sassen schon immer Thurgauer.
Es ist ein Rekord, den man kaum glauben mag. Das älteste Theater Deutschlands steht in Konstanz? Wirklich? Obwohl es auf der Landkarte der grossen, und bedeutenden Bühnen ein weisser Fleck ist?
Doch historisch reicht dieser Bühne niemand das Wasser: Seit 1609 wurde im selben Gebäude zum ersten Mal Theater gespielt – bis heute. Anfangs bespielten Jesuiten die Bühne, das Gebäude an der Konzilstrasse war damals eine Jesuitenschule. Der Historiker David Bruder hat die Theatergeschichte aufgearbeitet.
Auf diese lange Tradition sind sie schon ein bisschen stolz, die Konstanzer. Auch wenn sie immer vorsichtig den Zusatz «gilt als» älteste Bühne dazu schieben. «Es hat noch keiner geschrien, man hätte ein älteres Theater», sagt Daniel Morgenroth, stellvertretender Intendant.
Das gebe es sonst nirgendwo, dass am selben Ort so lange ohne Unterbruch gespielt worden sei. Und es lässt sich belegen: Sämtliche Premieren haben Historiker zusammengetragen.
In der Jesuitenschule hat es quasi nur Uraufführungen gegeben. Die Lehrer schrieben für ihre Schüler Stücke auf Latein, um die Sprache zu üben. Fromm ging es auf der Bühne zu: theatrale Heiligen- und Märtyrerlegenden. In der Regel erlebten die Stücke nur eine Aufführung. Im Publikum sassen Eltern, Magistrat und Geistlichkeit der Stadt. Da von ihnen nicht alle Latein konnten, gab es Programmhefte auf Deutsch.
Viele dieser «Periochen» genannten Programmhefte bewahrt die Kantonsbibliothek Frauenfeld auf. Historiker Bruder vermutet, dass diese mit der Auflösung der Thurgauer Klöster 1848 an den Kanton übergingen. «Man kann davon ausgehen, dass Thurgauer Katholiken das Theater Konstanz besuchten», sagt Bruder.
Als der Jesuitenorden 1772 in weiten Teilen Deutschlands verboten wurde, müssen sie ihr Schulgebäude in Konstanz verlassen – es wird säkularisiert. Zwei Bürger übernehmen den Betrieb, verpachten das Theater an Wandertruppen. 1852 kauft die Stadt das Gebäude und führt das Theater als Pachtbetrieb. Gespielt werden überwiegend Komödien, darunter viele von Autorinnen. «Charlotte Birch-Pfeiffer wurde rauf- und runtergespielt, sie war wohl die Rosamunde Pilcher des Theaters», sagt David Bruder.
Von 1926 bis 1932 war Konstanz ein Städtebundtheater, «Vereinigte Stadttheater Konstanz-Schaffhausen-Winterthur», 1932/33 gastierte es in Frauenfeld. Genaue Zuschauerdaten von damals gibt es nicht. Aber Beweise für die Zuneigung: Als eine Schweizer Zeitung 1946 zur Hilfsaktion für das Theater Konstanz aufruft, holen Ensemblemitglieder mit einem Handkarren die gespendeten Hilfsgüter über die Grenze. Darunter ein Besen – die Putzfrau des Theaters hatte nur einen Handfeger.
Doch das Schweizer Publikum der Nachkriegszeit war nicht nur kulturaffin. Damit Theaterbesucher aus der Schweiz nach der Vorstellung nach Hause kamen, wurde die Grenze für Theatergänger länger geöffnet. Einige Schweizer kauften sich ein billiges Theaterticket, um in den Konstanzer Spelunken trinken zu können.
Heute kommen 13 Prozent des Theaterpublikums aus der Schweiz, also rund 13000. Chefdramaturg Daniel Grünauer vermutet, dass die Zahlen höher liegen. «Im Freiverkauf wird nicht erfasst, woher die Zuschauer kommen.» Und in den Nachgesprächen spreche etwa ein Drittel der Zuhörer Schweizerdeutsch.