St. Gallen könnte bald eine noch attraktivere Orgelstadt werden

Nächsten Sonntag stimmen die Kirchbürger der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde St. Gallen-Centrum über die 2,4 Millionen Franken teure Erweiterung der St.-Laurenzen-Orgel ab. Sagen sie Ja, besitzt die Stadt in drei Jahren eine der modernsten Orgeln Europas.

Martin Preisser
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Bernhard Ruchti, der Organist von St. Laurenzen, hofft, dass das Projekt der Orgel-Erweiterung angenommen wird. Bild: Hanspeter Schiess

Bernhard Ruchti, der Organist von St. Laurenzen, hofft, dass das Projekt der Orgel-Erweiterung angenommen wird. Bild: Hanspeter Schiess

Die Orgel in St. Laurenzen ist vierzigjährig. Und die Gutachten für eine umfassende Revision sind ernüchternd. Die Basslage ist schwach und undifferenziert. Die Orgel vibriert nicht. «Ihr fehlt die wichtige sinnliche Dimension, sie atmet nicht natürlich», sagt Laurenzen-Organist Bernhard Ruchti. Um diese Orgel als Konzertinstrument ist es daher die letzten Jahre ruhig geworden. Statt eine Viertelmillion Franken für eine wenig erfolgsversprechende Revision auszugeben, hätte man die Orgel auch durch eine ganz neue ersetzen können. Das will man in der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde St. Gallen-Centrum aber nicht.

Das bei einigen Kirchbürgern umstrittene, weil mit 2,4 Millionen Franken sehr teure neue Konzept belässt die bisherige Orgel, spaltet den Gesamtklang aber auf alle vier Seiten des quadratischen Kirchenschiffs auf. Der Zuhörer wird so aus vier Richtungen in einer Art Surround-System mit dem Klang aus vier Pfeifensystemen beschallt. Die Lösung mit der Erweiterung hiesse, dass man für St. Laurenzen Ja sagt zur Historie der Kuhn-Orgel, gleichzeitig aber einen mutigen, innovativen Schritt in die Zukunft wagt. Wenn die Kirchbürger dem Projekt zustimmen, verfügt St. Gallen im Zentrum bald über eine der modernsten Orgeln Europas.

Die Kosten für die ambitionierte Erweiterung, welche die Luzerner Orgelbaufirma Goll realisieren soll, sind hoch. Von den budgetierten 2,4 Millionen Franken ist bisher bereits fast eine Million durch Sponsoren abgedeckt. Deutlich Ja sagen auch Stadt, Kanton und Ortsbürgergemeinde zum zukunftsweisenden Projekt. Von der Stadt St. Gallen sind 100 000, vom Kanton 150 000 und von der Ortsbürgergemeinde weitere 100 000 Franken zugesprochen worden. Die Kirchgemeinde kostet das Projekt so im Moment 1,1 Millionen Franken.

Die öffentliche Hand setzt mit ihren Beiträgen ein Zeichen für St. Gallen als attraktiven Orgelhotspot und für St. Laurenzen als Kulturort. Barbara Affolter, Co-Leiterin der Kulturförderung der Stadt, sagt: «Die Erweiterung gewährleistet die Umsetzung zukünftiger Kompositionen im Bereich neuer Musik. Sie bringt einen grossen klanglichen Gewinn, der bisher nicht vorhandene Wege in die Zukunft ermöglicht.»

Ein Magnet für die internationale Orgelszene

«Die hohen Kosten bedeuten Verantwortung», sagt Bernhard Ruchti, der sich hier in St. Georgen auch mit dem Stummfilmfestival auf einer Wurlitzer-Orgel einen Namen als innovativer Organist gemacht hat. «Das Laurenzen-Instrument muss die nächsten fünfzig Jahre funktionieren. Und so wie es geplant ist, wird es das. Zudem wird es in der internationalen Orgelszene ein Magnet werden.»

Raumklang von allen vier Seiten ist keine neue Erfindung. Schon im barocken Venedig bedeutete das Konzept der Mehrchörigkeit im Dom von San Marco einen innovativen Schritt, der die Musikgeschichte stark beeinflusst hat. Positiv äussert sich auch der St. Galler Domorganist Willibald Guggenmos zum Projekt der benachbarten Konkurrenz. Er selbst trägt mit den Konzerten im Dom jetzt schon zum exzellenten Ruf St. Gallens als Orgelstadt bei: «Ich kann mir da zukünftig aber eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit vorstellen.»