So viel Frankreich wie nie

Die 84. Oscar-Verleihung wurde zu einem Triumph für den Stummfilm «The Artist». Mit «Hugo» und «Midnight in Paris» verneigte sich Hollywood ebenfalls vor den Franzosen.

Andreas Stock
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Jean Dujardin holds Uggie after accepting the Oscar for best picture for “The Artist” during the 84th Academy Awards on Sunday, Feb. 26, 2012, in the Hollywood section of Los Angeles. (AP Photo/Mark J. Terrill) (Bild: Mark J. Terrill (AP))

Jean Dujardin holds Uggie after accepting the Oscar for best picture for “The Artist” during the 84th Academy Awards on Sunday, Feb. 26, 2012, in the Hollywood section of Los Angeles. (AP Photo/Mark J. Terrill) (Bild: Mark J. Terrill (AP))

So gefeiert wurde «la grande Nation» in Hollywood noch nie: Die Oscar-Verleihung in der Nacht auf Montag wurde zum französischen Triumphzug: «The Artist» erhielt fünf «Oscars», darunter die Hauptpreise als «Bester Film», Michel Hazanavicius als Regisseur und für Hauptdarsteller Jean Dujardin. Doch auch Martin Scorseses «Hugo» (mit fünf Oscars in den technischen Kategorien ausgezeichnet, darunter für Kameramann Robert Richardson), eine Hommage an den französischen Filmpionier George Méliès, ist wie Woody Allens «Midnight in Paris», (Oscar für das Originaldrehbuch) eine Liebeserklärung an Paris.

Nostalgie dank Digitaltechnik

Nostalgie und Frankreich, das sind die zwei Fixsterne einer routinierten Oscar-Show. Dass der 39jährige Dujardin der erste französische Schauspieler ist, der überhaupt einen Oscar erhält, lässt einen ebenso stutzen wie die Tatsache, dass dem relativ unerfahrenen Hazanavicius gelungen ist, was in 84 Jahren Oscar-Geschichte grossen französischen Regisseuren wie François Truffaut oder Louis Malle verwehrt blieb.

Mit «The Artist» bestätigt sich auch einmal mehr, was für ein gerissener PR-Stratege der Produzent Harvey Weinstein ist. Der streitbare Filmmogul war 2011 bereits mit «The King's Speech» der grosse Oscar-Abräumer; erneut motzte er mit aggressivem Marketing einen Arthousefilm zu einer Art Blockbuster auf.

Die Nostalgie-Seligkeit, von der die US-Filmakademie offensichtlich ergriffen wurde, ist zwar wohl einerseits Ausdruck einer Flucht in «bessere Zeiten» angesichts der tiefen Krise in Hollywood. Anderseits wurden die stilvollen Hommagen an die Frühzeit des Kinos in «Hugo» und «The Artist» nur dank modernster Digitaltechnik möglich.

Das Alter und ein paar Tränen

Auch die Zeremonie steckt weiter in einem Tief: Publikum und Protagonisten werden immer älter. Nachdem 2011 das jugendliche Duo Anne Hathaway und James Franco nicht wie erhofft jüngeres Publikum anziehen konnte, moderierte Billy Crystal zum neuntenmal die Show. Der 63jährige Entertainer beherrscht das Moderieren und ist ein witziger Spötter und selbstironisch zugleich. Aber ein sicherer Wert stellt keine Überraschung dar.

Keine Überraschung war auch der Oscar an die 62jährige Meryl Streep für ihre Verkörperung von Margaret Thatcher in «The Iron Lady». Mit der Rekordzahl von 17 Nominationen und dem dritten «Goldmännchen» glaubt sie sich selbst am Höhepunkt: «Ich weiss, dass ich nie wieder hier oben stehen werde», sagte Streep.

Dass man nie zu alt für einen Oscar wird, zeigte Christopher Plummer mit einem anderen Rekord: Der 82-Jährige löste Jessica Tandy als ältester Preisträger ab: 81jährig war Tandy, als sie für «Driving Miss Daisy» einen Academy Award erhielt. Plummer wurde als Bester Nebendarsteller in «Beginners» ausgezeichnet und sagte sichtlich gerührt: «Als ich aus dem Bauch meiner Mutter kam, habe ich schon meine Dankesrede für den Oscar geübt.» Tränenselig war die Dankesrede von Octavia Spencer, die wie erwartet für ihren Part in «The Help» bedacht wurde.

Erster Oscar nach Iran

Zu den verdienten Preisträgern gehörte neben Alexander Payne für sein Drehbuch zu «The Descendants» der iranische Regisseur Asghar Farhadi, der als bester fremdsprachiger Film für «A Separation» geehrt wurde – es ist der erste Oscar für einen Film aus Iran.

Zu den Verlierern zählten «Moneyball» sowie Spielberg mit «War Horse», die je sechs Nominationen hatten und leer ausgingen. Ohne Oscar muss auch erneut Wim Wenders abreisen. Nachdem der Deutsche mit «Buena Vista Social Club» (2000) nicht gewann, zogen die Akademiemitglieder diesmal den Footballfilm «Undefeated» seinem 3D-Tanzfilm «Pina» vor.