Die langjährige Modekolumnistin der «Annabelle», Wäis Kiani, hat ihren ersten, autobiographisch gefärbten Roman «Hinter dem Mond» geschrieben. Er spielt in Iran der Siebzigerjahre.
Wie war das Leben in Iran, bevor die Mullahs kamen? Wäis Kiani hat es hautnah miterlebt. In ihrem ersten, bewegenden Roman verarbeitet die Mittvierzigerin das grosse Trauma ihrer Kindheit – die Rückkehr ihrer persischen Familie von Norddeutschland nach Iran, als sie neun Jahre alt war. Die Schriftstellerin, die in Zürich und Berlin wohnt, erzählt im Gespräch, weshalb es damals in Iran so schrecklich gewesen ist.
Wäis Kiani: Sehr vieles ist autobiographisch. Alles, was in meinem Roman steht, ist die Wahrheit. Ich habe nichts erfunden, aber nicht alles selbst erlebt.
Kiani: Viele Leser haben Schwierigkeiten, sich mit Lilly zu identifizieren, weil sie auf den ersten Blick wie eine Wohlstandsverwahrloste wirkt. Aber sie ist nicht oberflächlich und verzogen, sie will einfach wie ein Mensch behandelt werden.
Kiani: So ist es. Lilly fehlt es an Mutterliebe, Geborgenheit und Nestwärme. Nach der Rückkehr nach Teheran mangelt es ihr an der Unterstützung ihrer Eltern, um sich in der fremden Umgebung einzugewöhnen. Es herrscht viel Kälte und Oberflächlichkeit. Mit meinem Buch wollte ich aufzeigen, dass es damals in den 1970ern unter dem Schah gar nicht so toll war, obwohl alle Exiliraner schreiben, dass vor der Revolution alles perfekt gewesen sei. Perser mögen mein Buch deshalb nicht. Sie finden, es sei eine infame Lüge und eine Unverschämtheit. Für sie bin ich eine Nestbeschmutzerin.
Kiani: Das ist Absicht. Ich möchte mit dem Buch auch etwas verändern. Ich stehe dazu, dass der Islam eine repressive und menschenverachtende Religion ist. Angesichts der aktuellen Ereignisse finde ich es umso wichtiger, dass wir hier im Westen uns nicht durch terroristische Aktionen einschüchtern lassen.
Kiani: Nein, da gibt es nichts. Lilly möchte nach Hause. Sie kann nicht verstehen, weshalb sie dort, hinter dem Mond, sein muss. Die Eltern sind einfach in die Heimat zurückgekehrt, aber sie hat dieses Gefühl von Heimat nicht. Sie und ihre Eltern waren glücklicher in Deutschland.
Kiani: Ja. Sie flüchtet in die Welt der Literatur, in die Musik und in die Hochglanzwelt der Modezeitschriften. Der einzig positive Ort in Teheran neben dem Swimmingpool ist die schöne deutsche Buchhandlung.
Kiani: Ich schreibe an der Fortsetzung des Romans. Dort geht es darum, wie es weitergeht nach der Rückkehr der Familie nach Deutschland. Lilly wird dort bewusst, dass ihre Eltern ihr nichts von den schönen Dingen in Iran gezeigt haben. Sie waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Kiani: Es ist nicht so sehr die Aufarbeitung der Familiengeschichte, sondern die Aufarbeitung dieser unangenehmen und fremdartigen Identität, die mir aufgezwungen wurde. Als wir in Teheran waren, hiess es plötzlich: So, jetzt bist du Perserin. Aber ich bin eine Deutsche, ich habe eine deutsche Seele.
Kiani: Ich kann schlecht Nein sagen. Nein zu sagen ist unhöflich und verbietet mir meine Erziehung.
Kiani: Die Ayatollahs waren die Erlöser. Lilly sitzt dann schneller im Flugzeug nach Deutschland, als ihr lieb ist, denn sie hat sich gerade frisch verliebt. Aber die beiden werden sich wiedersehen. Das kommt dann alles in der Fortsetzung.
Kiani: Das kann ich Ihnen genau sagen. Ich wäre auf jeden Fall zurück nach Deutschland gegangen und Schriftstellerin geworden. Nur der Inhalt des Buches hätte sich verändert.
Wäis Kiani: Hinter dem Mond. Hoffmann und Campe 2012, 382 S., Fr. 39.90