Theater
Sibylle Berg lockt scharenweise Fans ins Schauspielhaus Zürich

Sibylle Berg, Kultautorin mit Popstarqualitäten, hat zur ersten Ausgabe ihres neuen Talkformats «Alles meins!» ins Schauspielhaus Zürich geladen. Mit dabei: Knackeboul, Olli Schulz und das Jodelduo Geschwister Rymann.

Julia Nehmiz
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Sibylle Berg mit einem ihrer ersten Gäste: Rapper Knackeboul.

Sibylle Berg mit einem ihrer ersten Gäste: Rapper Knackeboul.

zvg

An diesem Abend passt das Publikum zum neuen Pfauen-Foyer, in dem zur Einstimmung die Bässe wummern. Party-People, jung, deutlich mehr Basecap- als Anzugträger. Dazwischen fünf Wesen in hässlichen Pyjamas und abstrus-riesigen Alien-Masken, sie sammeln auf Post-it's «Fragen ans Universum». Während der Gong schrillt, holt man sich entspannt noch ein Bier, schliesslich steht in der Ankündigung, man könne Getränke und Essen mitbringen und Freunde auch.

Sibylle Berg hat geladen, zu ihrem neuen Format im Schauspielhaus. «Alles meins!» nennt sie es, und sie will mit «Stargästen, Überraschungsgästen und Sensationen» vom Leben ablenken. Die Kultautorin mit Popstarqualitäten macht das ganz hervorragend. Erst mal Understatement, die Schauspielhaus-Intendanz habe sie angefragt, auf ein neues Stück habe sie aber keine Lust gehabt, lieber wollte sie den Pfauen in einen Pool umbauen, das war zu teuer, also mache sie jetzt etwas, das sie nicht könne: moderieren. Und dazu lade sie kreuz und quer Leute ein, die sie interessieren.

Fans und Freunde kamen in Scharen

Spätestens jetzt hat Wahl-Zürcherin Sibylle Berg das Publikum auf ihrer Seite, aber eigentlich sitzen sowieso nur Fans und Freunde im fast ausverkauften Schauspielhaus. Und sowieso ist Sibylle Berg Kult: 14 Romane, 25 Theaterstücke, übersetzt in 30 Sprachen, unzählige Kolumnen, zig Auszeichnungen und Preise. Der aktuellste: nominiert für den Schweizer Buchpreis. Und jetzt noch eine eigene Reihe im Schauspielhaus Zürich.

Am 1. Oktober hatte sie ihre Gäste zum Thema «Heimat» eingeladen, dazu Co-Moderatoren Olli Schulz und Knackeboul. Schulz moderierte fast mehr als Berg, sang zur Gitarre, Knackeboul rappte spontan grandios einen Song mit Begriffen aus dem Publikum. Sibylle Berg las kluge Texte, die von Videos der Künstlerin Heta Multanen fast erdrückt wurden, liess ihre Praktikantinnen einen riesigen Käse über die Bühne rollen, der nach der Vorstellung im Foyer zum Wein verspeist wurde.

Künstler Claus Richter durfte sich kurz verbeugen, sein Roboter Robbie trug aus dem Schnürboden hängend ein Gedicht vor. Raphael Gygax verbeugte sich auch, heiserkeitsbedingt musste aber Knackeboul seinen Text vorlesen, mit dem der Leiter des Studiengangs Kunst und Medien an der ZhdK zwei Kunstfilme seiner Bachelorabsolventin anmoderieren wollte.

Nationalhymne zum fallenden Vorhang

Der Auftritt des Jodelduos Geschwister Rymann ein unironischer Höhepunkt. Gerne hätte man erfahren, wie Sibylle Berg die Rymanns kennenlernte, doch schon stand der nächste Programmpunkt «voguing» an, laut Berg «getanztes Scheitern auf dem Laufsteg».

Als dann ein Zuschauer sich empörte, dass Berg und Schulz immer von «Sklaven» und der Jugend, die sie noch ein bisschen quälen wollen, sprechen, wirkte auch der Zwischenruf wie inszeniert. Die Nationalhymne zum Abschluss wollte fast niemand mitsingen, mitten in den schiefen Gesang hinein fiel der Vorhang.

Ein wilder, intelligenter, hochunterhaltsamer Abend. Und ja, er passt bestens ins Schauspielhaus, auf die Grosse Bühne, denn warum sollen da nur Klassiker aufgeführt werden, wenn man Sibylle Berg haben kann.

Hinweis

Nächste Ausgabe zum Thema Helden: 17. 12., 20 Uhr. Schauspielhaus Zürich, Pfauen.