Hollywood
Schweizer Stuntfrau Petra Sprecher fliegt neben Brad Pitt durchs All: «Stunts werden immer mehr Hardcore»

Die Baslerin Petra Sprecher arbeitet in Hollywood als Stunt-Frau und fliegt derzeit neben Brad Pitt in «Ad Astra» durchs All. Über ihren Alltag in diesem knochenharten Job, der in Hollywood nach wie vor zu wenig gewürdigt wird.

Marlène von Arx
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Petra Sprecher mit Brad Pitt: «Er ist sehr fokussiert und steht nicht auf dem Set zum Plaudern herum.»

Petra Sprecher mit Brad Pitt: «Er ist sehr fokussiert und steht nicht auf dem Set zum Plaudern herum.»

zvg

Petra Sprecher macht es sich im Fauteuil-Kino in Los Angeles gemütlich. Endlich wird sie sehen, was von ihrem Stunt im Sci-Fi-Film «Ad Astra» übrig geblieben ist. Vor zwei Jahren arbeitete sie in Downtown Los Angeles als Stunt-Double der Schauspielerin Kimberly Elise und Seite an Seite mit Brad Pitt.

Sie half Elise mit ihrer Ausrüstung und fiel für sie im vertikalen Raumschiff-Set in die Tiefe. Die beide Frauen tauschen heute noch Kurznachrichten aus. Brad Pitt liess sich hingegen nie mehr als zu einem «Hallo» auf dem Set hinreissen: «Er ist sehr fokussiert und steht nicht auf dem Set zum Plaudern herum», so die Baslerin. «Wenn die Kamera nicht läuft, ist er in seinem Trailer oder beim Umziehen.»

Sprecher schmunzelt, als sie ihren Zero-Schwerkraft-Fall aus acht Metern Höhe im Film sieht: «Er wurde massiv gekürzt. Auch Kimberlys Rolle allgemein. Aber das passiert oft. Hauptsache es steht genügend Material fürs Schneiden der Szenen zur Verfügung.» Die Szene in der Mitte des Films, in der Brad Pitt die Raumschiff-Crew inklusive Kimberly Elise ausschaltet, wurde lange im Stunt-Team geprobt.

Der Zirkus katapultierte sie ins Stunt-Geschäft

Petra Sprecher ist schon lange im Geschäft. Zu den Stunts ist die Tochter einer Lehrerin und eines Informatikers (die Mutter hatte sich kurz nach Petras Geburt von ihrem nigerianischen Partner getrennt) über den Zirkus gekommen: Schon als Kind in Aesch, Baselland, hatte sie Mühe, still zu sitzen.

Im Jugendzirkus Basilisk fand sie ein erstes Zuhause für ihre Bewegungsfreude. Ihre akrobatische Ausbildung vertiefte sie an der Zirkusschule in Montreal und tourte anschliessend mit dem Cirque du Soleil durch Nordamerika. In Los Angeles blieb sie hängen.

Ihr erster Stunt-Job war «Minority Report» mit Tom Cruise unter der Regie von Steven Spielberg. Seither wirkte sie in «Pirates of the Caribbean» und «Independence Day: Resurgence» mit, doubelte Leona Lewis, Mariah Carey und mehrmals Phylicia Rashad und Vivica Fox.

#MeToo-Erlebnisse an der Tagesordnung

Sich in der Stunt-Szene zu etablieren ist nicht einfach – vor allem als Frau: «Eigentlich sollte man Schützling eines etablierten Stuntman werden, aber mir ist das etwas verdächtig», spielt Sprecher darauf an, dass #MeToo-Erlebnisse auch bei Stunt-Frauen verbreitet sind. «Ich habe bis heute keinen schwarzen Gurt in Martial Arts: Mein erster Trainer wollte Sex, der zweite starb kurz nachdem ich bei ihm anfing, und der dritte war wieder ein Schürzenjäger.» Da gab sie auf. Ein cooler Job sei es trotzdem: «Schauspieler beneiden uns, wenn sie sehen, was wir alles machen können.»

Trotzdem fehlt es in Hollywood an Respekt den Stunt-Leuten gegenüber, ist es doch der einzige Filmberuf, für den man keinen Oscar gewinnen kann. Petra Sprecher findet, es sollte stellvertretend fürs Team einen Oscar für den Stunt-Coordinator geben: «Regisseure können solche Action-Sequenzen nicht entwerfen, dazu fehlt ihnen das Spezialwissen. Wir geben wirklich unser Schweiss und Blut.»

Sie übertreibt nicht: In den letzten Jahren haben sich schwere und tödliche Unfälle von Stunt-Leuten bei der Arbeit gehäuft. «Jeder Film muss etwas Neues bieten und die Stunts werden immer mehr Hardcore.» Dass die besonders brutalen Stunts bald durch visuelle Effekte ersetzt werden, glaubt Sprecher nicht: «So weit sind wir noch nicht. Effekte sehen nie so echt aus, wie ein richtiger Körper, der durch die Gegend fliegt.»

Geheimhaltung ist oberstes Gebot

Bis jetzt hat Petra Sprecher noch nie einen Job abgelehnt, weil er ihr zu gefährlich schien. Oft weiss sie nicht, wozu sie engagiert wird: «Je wichtiger der Film, desto weniger erfährt man im Voraus. Ich habe nie ein Drehbuch oder auch nur die für mich relevanten Passagen für ‹Ad Astra› gesehen.» Geheimhaltung ist oberstes Gebot.

Von schlimmen Verletzungen blieb die 46-jährige bisher verschont, aber letztes Jahr hatte sie eine Hüftoperation. Sie nutzte die Zeit, ihre Fühler in eine neue Richtung auszustrecken: In James Cordens Reality-Show «The World’s Best» trat sie in der internationalen Fachjury auf, die neben der Prominentenjury (Drew Barrymore, Ru Paul und Faith Hill) Musiker, Akrobaten und Zauberer aus der ganzen Welt bewerteten.

Und in der Quizsendung «To Tell the Truth» musste sie die Promikandidaten davon überzeugen, dass sie eine Burlesque-Tänzerin sei. Sprecher bereitete sich wie eine Schauspielerin vor und legte sich eine ganze Biografie für diese «Rolle» zurecht.

Manchmal verblüfft sie sogar Hollywood-Veteranen mit ihrem Schauspieltalent: Bei ihrem Stunt-Job in der Serie «Star Trek: Picard» kam Serienstar Patrick Stewart besorgt auf sie zugerannt, als sie einen Schlag in den Bauch einsteckte, so überzeugend fiel sie zu Boden. Er dachte, sie sei eine Statistin.

Als Schauspielerin habe sie jedoch ihre Grenzen: «Ich kann nicht auf Kommando weinen. Im Zirkus und in der Stunt-Welt darf man keine Schwächen zeigen, das ist tief in mir drin. Und überhaupt bin ich eher ein frohes Gemüt», sagt sie und lacht lauthals drauflos. «Aber ich glaube, in einem Sci-Fi-Film könnte ich schon überzeugen. Ich könnte locker jemanden von einem anderen Planeten spielen.»