Mit dem Album «X» hat das Luzerner Trio Schnellertollermeier vor zwei Jahren international gepunktet. Jetzt legt es mit «Rights» nach. Faszinierend.
Das amerikanische «Wall Street Journal» wählte «X» zu den besten zwölf Alben des Jahres. Die Band hat seitdem viel gespielt, tourte durch die USA und England, erntete Respekt und Begeisterung. «In Baltimore trafen wir einen Zuhörer, der neun Stunden angereist war, um uns zu hören», berichten sie. Letzte Woche traten sie am Newcastle Jazz Festival auf, im Oktober spielen sie am Kaltern Pop Festival in Südtirol. Ob Indie, Jazz, Pop: Schnellertollermeier erreichen verschiedene Zuhörer.
Manuel Troller (Gitarre), Andi Schnellmann (Bass) und David Meier (Schlagzeug) spielen seit über zehn Jahren zusammen. Konzentrierte Arbeit steckt hinter ihrem Sound. Und auch die Freundschaft von drei Typen, deren Ehrgeiz für dringliche Musik und deren gegenseitiger Respekt für ihre Fähigkeiten das Fundament bilden.
Teilweise basieren die Stücke auf komponierten Elementen, doch mehrheitlich werden sie im Prozess des Ausprobierens, Aufeinanderhörens und konsequenten Spielens erzeugt. «Wir erfinden aus dem Spielen heraus neue Sounds oder Bindeglieder, die einen Track in den Flow bringen, den wir suchen.»
Das Trio hat musikalisch einen Punkt erreicht, wo Genres zerstäuben und alle möglichen Derivate von Rock, Jazz, Minimal, Klangkunst und Improvisation zu einem Sound eingedampft werden: eigenständig, kreativ, intelligent und von einer inhärenten Wucht.
Die vier Tracks auf «Rights» lassen einem keinen Raum, vorgespurte Emotionen abzuhaken. Wie durch ein Brennglas bündeln sie die zehntausend Klänge des populären Lärms und schärfen die Wahrnehmung für die Wirkung von Form, Dynamik, Energie. Die Musik des Trios ist ein Spiegel für die zerfahrene Welt um uns, ein musikalisches Statement wider die politische Verunglimpfung.
39 Minuten dauert das Album, vier längere Tracks sind enthalten. Es ist mehr, als man auf Anhieb verdauen kann, mit jedem Hören wächst die Aufmerksamkeit für die Verzahnung der diversen Muster, die Details, die präzis gesetzten Wechsel. Dass sich die breiten musikalischen Interessen der Bandmitglieder zu solch strukturierter Musik bündeln, mag überraschen. Es sind weniger stilistische Kriterien, die sie dazu treiben, als vielmehr eine Haltung. Sie will nicht säuseln oder ausufern, sondern das Essenzielle, das alle flasht, auf den Punkt spielen.
So streng strukturiert die Tracks erscheinen, die Musiker erschaffen sie jedes Mal mit neuen Variationen. «Es ist immer offen», sagen sie. Das Gitterwerk der minutiös gespielten Patterns lässt Freiraum. «Jeder muss 200 Prozent sein Zeug intus haben, aufmerksam hören und agieren können. Dann können wir gemeinsam über das Material herauswachsen.» Die Intuition spielt eine grosse Rolle. «Wir merken, wenn einer länger an etwas bleiben will oder jemand eine neue Nuance einbringt. Wir haben viel gespielt in den letzten zwei Jahren. Das hat uns in dieser Hinsicht noch flexibler und direkter gemacht.»
War «X» ein Monolith mit hartkantigen Ausbuchtungen, ist «Rights» eine noch schärfer gemeisselte Skulptur mit vertrackten Geometrien und Minimaltexturen, in denen der Glanz von alten Rockfeelings und auch die Beat-Architekturen zeitgenössischer Techno-Spielarten noch schärfer hervortreten. Die einzelnen Sequenzen werden organisch verkettet, Beiläufiges ist aussortiert, Überraschendes hat Platz.
Der vielfältige Schlusstrack «Round» schaltet nach einem faszinierenden Noise-Dschungel abrupt weg. Aus. Fertig. Sind das bereits mutierte Musiker, denen plötzlich die Algorithmen abhandengekommen sind? Wir schwören, dass es Musiker aus Fleisch und Blut sind. Aber vielleicht legen sie gerade einen archaischen Blueprint für den Sound der Roboter-Generation.
Schnellertollermeier: «Rights»