Beni Bischof, diesjähriger Manor-Preisträger, saugt wie ein Schwamm Bilder und Texte aus Internet, Medien und Werbung auf und verarbeitet sie zu Kunst. Im Kunstmuseum St. Gallen präsentiert er neue Werke und seine gute Stube.
ST. GALLEN. Aus der Wand ragt bedrohlich ein Schlagstock. Darauf sitzt unbekümmert eine Vögelchen aus Plastik. «OMG Paradise» lautet der Titel der Arbeit, die Beni Bischof gleich beim Eingang zu seiner Einzelausstellung im Kunstmuseum St. Gallen plaziert hat. Für jene, die sich nicht auf den sozialen Medien tummeln: OMG, die Abkürzung für «Oh mein Gott», ist bei sogenannten «Digital Natives» geradezu inflationär in Gebrauch. Typisch Beni, diesen Ausspruch zu verwenden, denn zur künstlerischen Strategie des diesjährigen Manor-Kunstpreisträgers gehört es, alles vorurteilslos zu verwerten, was die Populärkultur hergibt – je trashiger, desto besser. Seine Arbeitsweise hat er ebenfalls beim Eingang in krakeliger Schrift als Kurzformel auf Leinwand gesprayt: «Fast, simple, smart» – Schnell, simpel, smart.
Dass Beni Bischof den Schlagstock mit Vögelchen derart prominent gesetzt hat, ist ein Hinweis darauf, dass diese Ausstellung, die auf den ersten Blick so munter und unbeschwert daherkommt, auch viel Abgründiges zu bieten hat. Etwas latent Gewalttätiges ist in vielen Werken des Rheintalers zu spüren, so dass einem öfter mal das Schmunzeln im Halse stecken bleibt. Das Mobile aus Baseballschlägern wirkt nur auf den ersten Blick harmlos, und auch die neongelbe Faust, die uns der Künstler als 3D-Druck entgegenstreckt, könnte man ohne die Aufforderung «Place Fist Here, Bro!» als bedrohliche Geste und nicht als freundschaftlichen Gruss empfinden.
Doch so gerne er irritiert und provoziert, abgehoben will Beni Bischof, der sich in seinen Werken gerne über seine Rolle als Künstler lustig macht, nicht wirken. Alles Elitäre ist ihm suspekt. Es ist gewissermassen eine Ausstellung auf «Fausthöhe», die er in St. Gallen präsentiert. So grosszügig sich Bischof aus dem Bilder- und Textfundus aus Internet, Zeitschriften, Werbung und Filmen bedient, so grosszügig lässt er uns an seiner Ausbeute teilhaben. Der Künstler hat für die Besucher der Ausstellung einen ganz in blau gehaltenen Ruheraum eingerichtet mit bequemen Sesseln, Fernseher, Kaffeemaschine, Kühlschrank (mit Bier) und Kunst. Und das Beste ist: Man darf in Benis guter Stube alles anfassen, in seinen Künstlerbüchern und den im Eigenverlag herausgegebenen Lasermagazinen blättern, die Stapel und Kisten mit seiner Foto- und Bildersammlung durchstöbern und sich auf sein Sofa fläzen. Doch es gibt in diesem Raum derart viel zu sehen und zu entdecken, dass dessen Titel wohl leider zutrifft: «No time to chill» – keine Zeit, zu entspannen. Auch die schwarz eingefärbte Kuckucksuhr an der Wand mahnt, dass die wohlige Gemütlichkeit vielleicht nur Fassade ist. Gleichzeitig stellt der Raum eine Art Retrospektive dar mit vielen Arbeiten des Künstlers der vergangenen rund zehn Jahre: die in Cupcake-Manier dekorierten Teekrüge aus der Brockenstube, die Modemagazine mit den Auskratzungen, die mit Photoshop bearbeiteten unheimlichen Autos und Gebäude.
Doch fast alle anderen Werke in der Ausstellung sind nigelnagelneu. Besonders bemerkenswert sind die Hängeskulpturen. Humorvoll nimmt Bischof dabei Werbeslogans auf die Schippe, die sich in unser Gedächtnis schleichen, und zeigt auf, wie verführbar wir dadurch sind. Eine mit Zigarettenkippen gefüllte Plastikkugel mit beigem Plüschüberzug und -schwänzchen trägt den Titel: «I'd walk a mile for a Camel». Andere Skulpturen wie ein mit Jeansstoff und Aufnähern versehener Boxsack sind Reminiszenzen an die Jugend des Künstlers im Rheintal.
Ein grosser Raum ist den Zeichnungen Beni Bischofs gewidmet. Sie sind die Grundlage seiner künstlerischen Arbeit, und wohl nirgends kommt der immense Schaffensdrang des Künstlers so gut zum Ausdruck. Man findet ironische Kommentare zum Zeitgeschehen, Nonsense, Comics, Schlagzeilen, aber auch ein Auswahl von Aquarellen. Es sind Filmstills aus «Rambo II», die für eine andere Ausstellung entstanden sind.
Beni Bischof hält uns den Spiegel vor, indem er uns die immense Menge an Bildern und Texten bewusst macht, die wir täglich und oft gedankenlos konsumieren und produzieren. Er ist Sammler, Provokateur und tief im Innern auch ein Stück Weltverbesserer. Nächstes Jahr wird Beni Bischof vierzig. Die Frage ist, wie lange er die Rolle des Rebellen noch glaubwürdig vertreten kann.
Bis 21. Juni. Zur Ausstellung ist bei der Edition Patrick Frey ein Künstlerbuch erschienen. «Texte 1» versammelt erstmals eine Auswahl von Beni Bischofs überbordender Textsammlung.