Zweimal Kino, einmal Theater: Weil Elfriede Jelinek ihr Stück «Über Tiere» mit einem lokalen Block angereichert hat, widmet sich auch der Schiffbau dem Thema «Prostitution in Zürich».
Der beinahe dokumentarische Film «Viktoria» von Men Lareida zeigt das Schicksal einer Romni-Ungarin als Prostituierte in Zürich. Der Spielfilm «Traumland» von Petra Volpe verknüpft Episoden rund um das Thema «Prostitution in Zürich». Und seit Samstag wird das Thema im Schiffbau auf der Bühne verhandelt.
Dafür hat Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek ihren 2007 uraufgeführten Text «Über Tiere» mit einem Zürcher Teil ergänzt. Und sich natürlich der neu geschaffenen «Verrichtungsboxen» angenommen, dieser «Reihe von Schachteln zum Verrichten der allernötigsten Notdurft», dieser «Minibarackensiedlung», in denen die Wände so nah sind, «meine Lieben daheim sind mir nicht so nah wie diese Wände».
Ebenso untersucht Jelinek in der Bankenstadt Zürich auf ihre typische sprachfanatisch-hochsensible Art die betriebswissenschaftlichen Aspekte dieses «Kaufakts». Sind es «Akte, die sofort nach dem Kauf wieder gelöst werden» oder ist es doch ein «Kaufakt, der mit einer Zahlung eingeleitet wird, bevor etwas in mich eingeleitet wird»?
Jelinek landet auch über die Prostitution bei ihren Lieblingsthemen Ökonomie, Macht und (Frauen-)Körper in patriarchalischen Strukturen. Das wurde im Ursprungstext noch weniger deutlich. Der Abend beginnt mit einem Monolog einer Prostituierten, die sich als «Gegenstand» sieht, hart geworden, desillusioniert, und sich doch ihrer eigenen Kräfte sehr bewusst. Isabelle Menke spricht in der Regie von Tina Lanik eine Dreiviertelstunde lang, die Beine verborgen in einem riesigen Felsbrocken, nur den Oberkörper kann sie bewegen. Deutlich die Verbindung zu Prometheus, der auf dem Felsen gefesselt wird, weil er aus der Sicht der Götter den Menschen zu nahe kam. Zart, aber wissend und abgeklärt spielt Menke die im Metier alt gewordene Frau, die Bilanz zieht. Doch als Zuschauer kann man den Sprachkaskaden nur schwer folgen.
Wie zerstörerisch und regelrecht menschenverachtend der Mensch sein kann, zeigt der zweite Teil, in dem der Felsen im Bühnenbild von Stefan Hageneier überraschend abgehoben wird und ein knallrotes Auto zum Vorschein kommen lässt.
Als Vorlage dienten Jelinek Akten aus einem Gerichtsverfahren gegen einen Call-Girl-Ring. Darin verhandeln Vermittler und «Kunden» über die Qualitäten und das Können der zum Teil minderjährigen Frauen, die in Litauen gezielt gesucht und unter falschen Versprechungen eingeflogen wurden.
Vier Schauspielerinnen, Menke, Julia Kreusch, Lisa-Katrina Mayer und Lena Schwarz, geben jetzt hechelnd und sich biegend die geifernden Freier, klettern wie Spinnen über die Felsen, quetschen sich wie Sardinen ins Auto und spielen überhaupt so körperbetont und doch akkurat, dass einem Hören und Sehen vergeht. Zusätzlich erleichtert das aktionsreichere Spiel das Verstehen der ungeheuer dichten Jelinek-Texte ungemein.
«Viktoria» noch kein Starttermin, «Traumland» jetzt in den Kinos, «Über Tiere» im Schiffbau Zürich