Punkrock
Hello-Kitty-Gitarre und Instrumente vom Brockenhaus: Der Frauenfelder Daif zeigt mit neuen Punk-Songs dem bürgerlichen Establishment den Mittelfinger

David Nägeli alias Daif macht Musik, die in keine Schublade passt. Nun hat er sein viertes Soloalbum herausgegeben. In den punkigen Songs nimmt der 30-Jährige kein Blatt vor den Mund – und singt offen über seine Ängste und Depressionen.

Claudio Weder
Drucken
Die Hello-Kitty-Gitarre ist sein neues Markenzeichen: Der Frauenfelder Musiker David Nägeli alias Daif.

Die Hello-Kitty-Gitarre ist sein neues Markenzeichen: Der Frauenfelder Musiker David Nägeli alias Daif.

Bild: PD

Es war im Pandemiewinter 2020, als sich Daif zusammen mit seiner neuen Hello-Kitty-Gitarre in seiner Frauenfelder Wohnung verschanzte, die gleichzeitig sein Tonstudio ist. Irgendwo zwischen Küche und Bett hat er das Album mit dem wohl längsten Titel des Jahres aufgenommen: «Alles was mir hend wölle isch alles (und alles was mir becho hend isch chalt)» ist seit heute Freitag erhältlich. Und zwar nicht nur in digitaler Form, sondern – weil Daif ziemlich retro unterwegs ist – auch auf Kassette.

Es ist bereits das vierte Album, das Daif als Solokünstler veröffentlicht. «Und doch fühlt es sich wie das erste an», sagt der Thurgauer, der auch unter dem Namen DJ Netlog auftritt und Mitgründer des Underground-Labels «die yungen huren dot hiv» ist. Zuvor machte Daif vor allem Hip-Hop und Eurodance, zum Beispiel in Form des Duos Capslock Superstar zusammen mit der Ausserrhoder Medienkünstlerin Jessica Jurassica. Mit dem neuen Soloalbum kehrt Daif zu seinen musikalischen Wurzeln zurück, dem Punkrock.

Daifs Videoclips sind genauso abgefahren wie seine Songs.

Video: Youtube

Kitsch, Trash und Autotune

Doch eigentlich würde David Nägeli, wie Daif richtig heisst, lieber Mainstream-Pop machen, gibt er zu. Künstlerinnen wie Ariana Grande oder Lady Gaga findet er grossartig. Warum er denn keinen Mainstream-Pop macht? «Ich kann es einfach nicht», sagt er und lacht. «Zudem lässt mich mein experimentelles Bedürfnis immer wieder in Nischen abdriften.»

Tatsächlich sind die zwölf neuen Songs vom Radio-Mainstream weit entfernt. Daifs eigenwilliger Mundart-Bedroom-Emopunk, wie er seinen Stil bezeichnet, passt in keine Schublade. Daif bringt zusammen, was eigentlich nicht zusammenpasst, und kreiert damit verblüffend Neues und Unerwartetes: Technoide Rhythmen gesellen sich zu punkigen Gitarrenriffs, analoge Retro-Synthies treffen auf Melodica, Ukulele und Xylofon – Instrumente, die er sich im Brockenhaus gekauft hat.

Daif in seinem Tonstudio in Frauenfeld.

Daif in seinem Tonstudio in Frauenfeld.

Bild: PD

Hinzu kommt eine gute Portion Kitsch und Trash – und natürlich ganz viel Autotune. Dieser Effekt, der die Tonhöhe der Stimme automatisch korrigiert, ist ein Markenzeichen von Daif, er benutzt ihn gefühlt immer und überall. Etwas weniger Autotune hätte dem Album sicher nicht geschadet. Dennoch passt der Effekt, der vor allem im Hip-Hop verbreitet ist, erstaunlich gut zu den zwölf Punksongs. Im Gespräch verrät Daif, dass er so verliebt in diesen Effekt ist, dass er ihn mittlerweile sogar auf der Gitarre verwendet. Nicht weil er schlecht spielt, sondern weil die Gitarre dadurch wie ein Synthesizer klingt.

Metaphern nerven ihn

Ein Song von der härteren Sorte ist «ficked eu alli». Mehrmals schreit Daif diese Parole mit punkiger Anti-Haltung ins Mikrofon – ein Wutschrei, der sich an das bürgerliche Establishment richtet, mit dem er sich nie so recht anfreunden konnte. Dass Daif kein Blatt vor den Mund nimmt, macht den ehemaligen Philosophiestudenten sympathisch. Er spricht die Dinge «fadegrad» aus, so wie er es auch im echten Leben tun würde. «Metaphern und dergleichen nerven mich.»

Der Song «ficked eu alli» richtet sich gegen das bürgerliche Establishment.

Video: Youtube

Daif kann aber auch leise und gefühlvoll. Fast alle Songs des neuen Albums handeln vom Traurigsein: «I wött neui lieder zum truurig sii», singt Daif im ersten Track, begleitet von akustischen Gitarrenakkorden. «I will nöd wieder es jahr lang truurig sii», heisst es in einem anderen. Und im Lied «all lüüt wo i gern ha sind truurig» singt er:

«Zwüsched ängst und manie da gspüri mi nid, irgendöppis tuet ja immer e chli weh.»

Diese Traurigkeit, die das ganze Album durchdringt, hat einen realen Hintergrund: Die vielen Lockdowns waren für den ohnehin von Ängsten und Depressionen geplagten 30-Jährigen nicht einfach. Die Musik helfe ihm, seine psychischen Probleme zu bewältigen. «Dadurch erspare ich mir die Therapie.»