Im Sommer 2020 verstarb mit Schlagzeuger Thomas Troxler die eine Hälfte des St.Galler Post-Rock-Duos Flieder. Um Abschied zu nehmen, veröffentlichte Gitarrist Thomas Böhm e das Album «Encore». Albumtaufe ist am Samstag
Sie lernten sich als Teenager im Raucherabteil der Trognerbahn kennen: Gitarrist Thomas Böhm und Schlagzeuger Thomas Troxler. 15 Jahre lang bildeten sie zusammen die Band Flieder, stilistisch irgendwo zwischen Trip-Hop und Post-Rock angesiedelt. Im vergangenen Jahr kam der Rückschlag: Thomas Troxler verstarb im Alter von 37 Jahren an Krebs, die Band löste sich abrupt auf.
Genauso abrupt endet «Ressiga», der Schlusssong des Albums «Encore», das vergangene Woche erschienen ist. Der Track wurde auf der letzten Flieder-Tour vor zwei Jahren aufgenommen, in einem Proberaum in Ressiga, einem Vorort von Lugano.
Der Song hat den typischen Flieder-Sound: Ein grooviger Schlagzeugrhythmus, sphärische Gitarrenmelodien und sanft vor sich hin plätschernde Synthie-Arpeggios. Laufend kommen weitere elektronische Elemente hinzu: Ein pulsierender Beat treibt den Song stetig vorwärts, ein Bass wummert im Hintergrund. Plötzlich verstummt der Bass. Und nach und nach verhallt auch der Rest.
Es war der Wunsch von Thomas Böhm, dieses dritte und letzte Flieder-Album herauszugeben. «Damit ich abschliessen kann.» Der gebürtige Trogner lebt heute mit seiner Familie in Zürich, wo er als Heilpädagoge arbeitet. Das letzte Flieder-Konzert am Filmfestival in Locarno hat er noch gut in Erinnerung. Ebenso Thomas Troxlers letztes Konzert im Juli 2020 mit der Band Pätschwerk, einen Monat vor seinem Tod.
«Ich hatte damals die Hoffnung, noch einmal live mit ihm spielen zu können. Als er von uns ging, hat sich das so unfertig angefühlt.»
Flieder wurde im Jahr 2005 als mehrköpfige Band gegründet – später machten Thomas Böhm und Thomas Troxler als Duo weiter. Damit waren sie ziemlich erfolgreich: 2009 traten sie beispielsweise am St. Galler Kulturfestival als Vorband von The Young Gods auf, 2010 erschien das Album «Eins», 2014 der Nachfolger «Passing By».
Musikalisches Herzstück von Flieder bildete – neben Gitarren, Schlagzeug und Synthesizern – ein Loopgerät. Als dieses irgendwann den Geist aufgab, wurde es durch einen Laptop und eine Audiosoftware ersetzt. «Über die Jahre haben wir viel in Technik investiert», erzählt Böhm.
«Eines Tages wollten wir aber wieder mehr in Menschen statt in Technik investieren.»
Einen «umgekehrten Remix» nannten sie es: An die Stelle des Loopgerätes traten befreundete Musiker des Label-Kollektivs «Red Brick Chapel», zu dem auch Flieder gehörte. Elektronische Klangelemente wurden ersetzt durch Gitarren, Perkussion, Bass und Synthesizer. Mit dieser mehrköpfigen Formation, genannt Flieder-Ensemble, kam es zwischen 2016 und 2019 zu mehreren Auftritten. Dabei entstanden oft neue Songs, wobei diese gleich vor Ort in den jeweiligen Konzertlokalen aufgenommen wurden. Drei dieser Songs sind auch auf «Encore» zu hören.
Auf den Live-Charakter legte die Band immer besonderen Wert. Die Songs wurden oft erst unmittelbar auf der Bühne entwickelt. Trotz Verwendung von Digitaltechnik hat der Sound von Flieder einen stark organischen Charakter.
Ein letztes Mal wird Thomas Böhm zusammen mit dem Flieder-Ensemble am 28. Mai 2022 im Palace St. Gallen auf der Bühne stehen. Dann soll «Encore» getauft werden. Eine letzte Zugabe zu Ehren von Thomas Troxler, bevor der Flieder endgültig verblüht.