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Was Quantenphysik, Sexismus und Hunde mit Kunstgeschichte zu tun haben, erklärt Dr. Great Art alias Mark Staff Brandl in seinen Live-Performances. Prähistorische Kunst und Symbolismus ohne Gähngefahr? Dr. Great Art schafft das in 90 Minuten.
«Können wir nicht einfach Du sagen? Ich werde mich nie gewöhnen an dieses lästige deutsche ‹Sie›», begrüsst Mark Staff Brandl, kaum hat man das Atelier des gebürtigen US-Amerikaners betreten. Die ehemalige Scheune erinnert an ein Theater. «Manege frei, let the show begin», sagt der Künstler und lacht. Aussergewöhnlich locker für einen Kunsthistoriker mit Doktortitel, der schon im Museum of Modern Art in New York ausgestellt hat.
Gerade passt es eigentlich schlecht, die Hunde müssen noch raus, die Suppe steht auf dem Herd und das Kapitel Quantenphysik wartet darauf, zu Ende gelesen zu werden. «Aber es freut mich riesig, dass Du Dich für Kunstgeschichte interessierst. Blitzkurs Kunstgeschichte, von der Vorgeschichte bis zur Postmoderne, 90 Minuten?» Es braucht keine zwei Minuten Gesprächszeit, um zu beweisen, dieser Brandl lässt sich keiner Kategorie zuordnen. Willkommen bei Dr. Great Art, in seinem Atelier in Trogen, das an einer Strasse liegt, die keinen Namen hat und per GPS unauffindbar ist. Unglaublich, ja, aber irgendwie auch grossartig.
«Great», beginnt der Dozent im Arztkittel. Früher für seine Schüler, heute vor gebuchtem Publikum. «Great. Wo waren wir? Michelangelo? Alles klar, dann kommt jetzt Raphael.» Seine Schüler, seine «Kids», fanden, er gleiche der schrägen Kult-Serienfigur Dr. Who und «Dr. Great Art» war geboren. Zur Verwandlung bedarf es dem Arztkittel und den Degen als Zeigestab, beides Geschenke seiner Schüler und Dr. Great Art heilig. Transformiert zu Dr. Great Art nimmt er so seine Zuhörer mit auf den Kurztrip «durch 60.000 Jahre Kunstgeschichte».
«Ich habe mich gefragt: Es heisst ‹die Kunst›, ‹die Muse›, ‹die Malerei› – wo sind die Frauen in 60.000 Jahren Kunstgeschichte? Ich habe sie gesucht, zwei Jahre lang und kann Dir sagen, sie sind wie ausradiert. Aber es gab sie.» Brandl arbeitet sich in Themen ein, die ihn irgendwie kitzeln, egal wie vermeintlich fern sie von klassischer Kunstgeschichte liegen. Jüngstes Ergebnis und passend zum Jahr des Schweizer Frauenstimmrechts: Künstlerinnen.
Brandls «Marsch durch die Kunstgeschichte», einem «verdammt komplexen Zopf» gleicht einem Halbmarathon, der in der griechischen Mythologie, bei der «Magd von Korinth», beginnt. Die Geburtsstunde der Kunst startete, aus Brandls Sicht, mit jener unbekannten Künstlerin: «Sie zeichnete den Schatten ihres Geliebten an der Wand nach, ehe dieser in den Krieg zog, um so sein Abbild bei sich zu haben. Der Doktor der Kunstgeschichte ist begeistert ob solcher Entdeckungen. Kunst begann nicht etwa mit Michelangelo, sondern aus der Feder einer Frau. «Wusstest Du das?», fragt Brandl. Nein. Kaum jemand weiss das. Mit Sexismus, Klassizismus und Rassismus in der Kunstszene will der politisch aktive Künstler aufräumen.
Neben der Kunst und ihrer Geschichte schlägt Brandls Herz für seine Tiere. Die Hunde Vasi und Ola, stehen lebensecht gemalt in seinem Trogener Atelier. Sie waren Teil der Performance «Hunde in der Kunstgeschichte» gebucht vom Hundefreundeverein in Winterthur: «Great, nicht wahr?»
Das nächste Projekt sei Quantenphysik, zusammen mit seinem Freund, dem bekannter Physiker und Comicfan Chris Fuchs: «Irre spannend», sagt Brandl. Sobald wie möglich, performt er auch wieder live in der Appenzeller Kunsthalle Ziegelhütte. Dann zu den Themen Postmodernismus und der sogenannten Mongrel Art, am ehesten zu übersetzen mit Mischlingskunst – einer Kunstkategorie die Bradl kurzerhand selbst geschaffen hat. Für all jenes Künstlerische und jene Kunst, die in bisherige Sparten nicht passen wollen oder mehrere verbinden. Ein wenig, wie der Künstler Brandl selbst. Es gebe noch so viel zu lernen und zu erzählen, findet er. Wer das nicht glaube, dem könne er nur einladen und sagen «You won't die, don't worry.»