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Der St.Galler Autor Christoph Keller schreibt in seinem neuen Buch «Jeder Krüppel ein Superheld» schonungslos über seine fortschreitende Muskelkrankheit und öffnet damit Nicht-Behinderten die Augen. Darum geht es ihm auch in seinem monatlichen Blog, in welchem der Autor Briefe an Schweizer Persönlichkeiten schreibt. Heute erhält der St.Galler Regierungspräsident und Gesundheitsdirektor Bruno Damann von Keller bereits das zweite Schreiben, nachdem der Autor mit der Antwort des Politikers alles andere als zufrieden war.
Inhaltsverzeichnis
An Regierungpräsident Bruno Damann
Vorsteher des Gesundheitsdepartements St. Gallen
Oberer Graben 32
9001 St. Gallen
St. Gallen, am 3. Dezember 2020
Sehr geehrter Regierungspräsident Bruno Damann
Ich danke Ihnen für Ihre Zeilen und das Mitgefühl, dass Sie meiner Situation gegenüber ausdrücken. Allerdings schreibe ich an Sie nicht als Patient, sondern als besorgter Bürger, der Fragen an seine Regierung hat. Diesen Fragen sind Sie ausgewichen. Ich erlaube mir daher, sie Ihnen noch einmal zu stellen.
Natürlich hoffen wir alle, dass es in den Spitälern zu keiner Triage kommt. Solange es jedoch Schlagzeilen wie «Die Schweiz ist auch bei den Covid-Todesfällen an der Weltspitze» und «Die Wirkung der Corona-Massnahmen ist bereits verpufft» gibt, die Infektionszahlen und auch der Reproduktionswert zu hoch bleiben, fällt es mir schwer, erste «nicht schlechte» Anzeichen zu sehen, wie Sie vage schreiben. Hier ist Goyas Klarheit gefragt. Ich frage also noch einmal: Was bedeutet eine Triage, was Bettenknappheit für Menschen mit Behinderungen? Wie wird hier entschieden? Heute ist übrigens der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen. Helfen Sie mit Ihren Antworten mit, mehr Bewusstsein für uns zu schaffen.
Dass Sie auf meine andere Frage überhaupt nicht eingehen, finde ich befremdlich, haben Sie sie doch öffentlich ins Spiel gebracht. Also stelle ich auch diese ein weiteres Mal: Wie können wir Ihrer Meinung nach als Gesellschaft das Sterben wieder lernen? Als Vorsteher des Gesundheitsdepartements sind Sie prädestiniert, dieses wichtige Thema anzugehen. Im Übrigen glaube ich, dass viele von uns sich weit mehr mit Sterben und Tod auseinandersetzen als Sie vielleicht wahrnehmen: die Artikel, Bücher (Romane – einer hat gerade den Schweizer Buchpreis gewonnen) – und Sachbücher, Therapieangebote u.v.m. sind zahlreich: Sie sprechen ein Bedürfnis an.
Nun haben Sie sich selber angesteckt: Ich wünsche Ihnen einen milden Verlauf, schnelle Besserung und unsere beste medizinische Versorgung. Passen wir alle gut aufeinander auf.
In der Hoffnung, von Ihnen bald Konkreteres zu lesen, wünsche auch ich Ihnen viel Kraft und Zuversicht.
Mit den besten Grüssen
Christoph Keller
Regierungspräsident Bruno Damann hofft, dass man in den Spitälern keine Triage machen muss. Doch der Frage, was dies für die behinderten Menschen bedeuten würde, weicht er aus. (gen)
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