Jede Woche spielen wir Ostschweizer Kulturschaffenden den Ball zu und fragen: Was lernen Sie gerade neu? Worauf freuen Sie sich? Heute mit dem Schauspieler und ehemaligen Radiomoderator Lukas Bollhalder. Für die neue Eigenproduktion des Figurentheaters St.Gallen «Das kleine schwarze Schaf» hat er noch einmal das Stricken gelernt. Künftig möchte er diese Kunst aber lieber wieder «aus der Ferne beobachten».
Lukas Bollhalder ist für viele Kinder in der Ostschweiz der erste Schauspieler, den sie auf der Bühne in Aktion erlebt haben: Er spielte in den letzten Jahren in zahlreichen Familienproduktionen des Figurentheaters St.Gallen, darunter «Die Bremer Stadtmusikanten», «An der Arche um Acht» oder «Die Glücksforscher». Mit der Figur des Horst Hablützel moderierte er den ersten Puppetry-Slam der Schweiz. Auch in der neuen Eigenproduktion «Das kleine schwarze Schaf», ab 27. April auf dem Programm des Figurentheaters, wird Bollhalder mit von der Partie sein - zusammen mit dem Musiker Willi Häne.
Geboren 1981 in St.Gallen und aufgewachsen in Degersheim, absolvierte Lukas Bollhalder nach der Schule eine Lehre als Elektromonteur und heuerte beim St.Galler Jugendradio Toxic.fm an, wo er zwölf Jahre lang als Redaktor und Moderator tätig war. Seit 2018 ist Bollhalder Vorstandsmitglied beim St. Galler Theater Fabula. Er könnte sich aber noch ein paar Berufswechsel im Leben vorstellen.
Was lernen Sie gerade neu?
Lukas Bollhalder: Da wir gerade viel geprobt haben, waren es natürlich die Texte für das neue Stück «Das kleine schwarze Schaf». Zu diesem Zweck habe ich auch Stricken gelernt, was mich sehr an meine Kindheit erinnerte, als mir meine Mutter das Stricken schon einmal beigebracht hat. Wie so vieles in meinem Leben habe ich dieses Hobby dann zwei bis drei Tage mit grossem Eifer ausgeführt, bevor ich es für (fast) alle Zeiten wieder weggelegt habe. Ich habe grosse Hochachtung für die Strickkunst und werde sie in Zukunft weiter aus der Ferne beobachten.
Was haben Sie zuletzt für sich entdeckt?
Ich liebe sowohl Filme als auch Literatur und Comics. Dazu spiele ich für mein Leben gerne. Am liebsten Brettspiele, aber auch gerne vor dem Bildschirm. In letzter Zeit habe ich wieder vermehrt «Magic, The Gathering» gespielt. Ein Kartenspiel, das in seiner Vielseitigkeit und Fülle schlicht unerreicht ist. Und vor ein paar Tagen habe ich erfahren, dass mein Neffe dieses Spiel auch für sich entdeckt hat. Natürlich haben wir gleich eine Partie zusammen gespielt...
In Sachen Literatur habe ich dank eines Freundes Tim Marshall entdeckt, der Bücher über den Zusammenhang von Politik und Geografie schreibt. Zwei Dinge, die mich brennend interessieren.
Was hat Sie in den letzten Monaten am meisten beschäftigt?
Sehr vieles, da mich eigentlich alles interessiert, ausser Motorsport und Wirtschaft. Einerseits habe ich mich an den tollen Spielen des FC St.Gallen erfreut und mich gleichzeitig über die Auswirkungen des internationalen Fussballgeschäfts geärgert. Andererseits habe ich mich mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt aber auch mit der Frage, wieso uns dieser Krieg so nahe geht und andere, seit Jahrzehnten laufende Konflikte so kalt lassen. Und natürlich, warum syrische Flüchtlinge einen anderen Status kriegen als ukrainische Flüchtlinge.
Ich sehe leider viel Ungerechtigkeit in der Welt, und das macht mich traurig. Aber dann sehe ich auch wieder so viel Schönes und freue mich wieder. Aber gerade beim Kindertheater stolpere ich immer wieder über dieselbe Frage: Wie kann es sein, dass aus diesen hinreissenden, neugierigen, ehrlichen und sozialen Fünfjährigen später oft diese langweiligen, ignoranten und zuweilen bösartigen Erwachsenen werden?
Wird die Pandemie die Kulturbranche längerfristig verändern – und sehen Sie darin auch etwas Positives?
Das ist ehrlich gesagt nicht mein Lieblingsthema. Ich habe versucht, die Pandemie weitestgehend zu ignorieren. Ich habe getan, was zu tun war und habe mich an die Vorgaben gehalten. Mehr Platz wollte ich diesem Virus nicht zugestehen. Doch es tut mir sehr leid um die Menschen, die darunter gelitten haben. Positiv bleibt mir in Erinnerung, wie ruhig es während des Lockdowns war: weniger Autos, viel weniger Flugzeuge. Ich habe viele schöne Spaziergänge rund um unser herrliches St.Gallen genossen. Diese Entschleunigung tat mir sehr gut.
Vervollständigen Sie den folgenden Satz: «Wenn ich nicht Schauspieler geworden wäre, wäre ich heute …»
Tja, wer weiss. Vielleicht wäre ich immer noch Elektromonteur? Oder Zirkuspferd? Zwei Berufe hätte ich wirklich gerne ausgeführt: Lokomotivführer und Astronaut. Aber bei einem muss man viel zu früh aufstehen und beim anderen muss man noch einiges mehr leisten, das mir nicht so liegt. Darum ist es schon gut so. Auch wenn ich ziemlich sicher bin, dass ich in ein paar Jahren noch mal etwas Neues ausprobieren möchte. Im Moment denke ich da an Perlentaucher in der Südsee. Oder ich werde Papst bei den Anhängern des fliegenden Spaghettimonsters.
Das Leben wird spannender, wenn man öfters Ja sagt und Dinge ausprobiert. Es ist wohl anfangs anstrengender, aber die Erfahrungen und Erinnerungen nimmt einem keiner mehr. Ach ja, ich wollte auch mal Pfarrer werden. Aber einer von den guten! Und ein bisschen davon trage ich immer noch mit mir rum. Nicht umsonst ist mein Ballonfahrer-Adelstitel: «Graf Luc, Der Luftprediger zu Reckenwil».
Mit wem würden Sie gerne einmal zusammenarbeiten und warum?
Ich durfte in den letzten Jahren zum Glück mit sehr vielen spannenden Menschen zusammenarbeiten. Sei es beim Radio, in der Gastwirtschaft, auf der Baustelle oder beim Theater. Manchmal habe ich die komische Lust, mal mit einer richtigen Diva oder einem strengen, eingebildeten Regisseur zu arbeiten. Aber Sekunden später bin ich froh, dass ich das noch nie musste. Oder zumindest nicht lange. Ich bin in der privilegierten Lage, jederzeit zu sagen, was ich lieber nicht möchte. Und meistens wird dem auch entsprochen.
Es ist schon unglaublich, was es heisst, in eine Schweizer Mittelstandsfamilie hinein geboren worden zu sein. Ich habe quasi alle Möglichkeiten und kaum existenzielle Sorgen. Meinen Lotto-Sechser habe ich also schon gekriegt und möchte auch etwas daraus machen. Und dabei treffe ich hoffentlich noch ganz viele spannende Menschen. Beim nächsten Theaterprojekt darf ich mit Oliver Kühn zusammen arbeiten. Darauf freue ich mich schon jetzt.
Jeden Dienstag erscheint unser Fragebogen, den wir sportlich «Freipass» nennen. Woche für Woche spielen wir Ostschweizer Kulturschaffenden den Ball zu und sind gespannt, welche Antworten sie uns geben. Den «Freipass» nehmen wir dabei wörtlich: Wir redigieren die Antworten nur minimal und kürzen allenfalls, bearbeiten sie aber nicht weiter.
Worauf freuen Sie sich ausserdem?
Auf die Zukunft. Wir leben in einer unheimlich spannenden Zeit. Vieles, was passiert, gefällt mir gar nicht. Ich habe zum Beispiel nicht die kleinste Affinität zu Social Media. Trotzdem haut es mich aus den Socken, was sich da in wenigen Jahren entwickelt hat. Ich bin so froh, dass ich mich in meiner Jugend nicht damit herumschlagen musste. Aber ich sehe ganz viele junge Menschen, die voller Optimismus und Tatendrang in die Zukunft schauen. Es läuft meiner Meinung nach so unglaublich viel schief auf unserer Erde, und trotzdem sehe ich so viele gute Menschen und gute Werke. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, was noch kommt, und glaube an das Gute im Menschen. Und, das mag vielleicht blöd klingen, ist aber wirklich meine Einstellung: Ich freue mich darauf, dass ich in spätestens 50 Jahren auch wieder gehen darf! Das möchte ich aber mit gutem Gewissen und ohne Reue. Denn nur die Tatsache, dass wir sterben werden, lässt uns leben. Falls das ein Zitat ist, wüsste ich jetzt leider nicht, von wem.
Das Kinderstück «Das kleine schwarze Schaf» hat am 27.4. um 14.30 Uhr Premiere am Figurentheater St.Gallen. Weitere Vorstellungen: 30.4./1.5./4.5./7.5., 14.30 Uhr, 8.5., 11 Uhr, 11.5., 14.30 Uhr