Jede Woche spielen wir Ostschweizer Kulturschaffenden den Ball zu und fragen: Was lernen Sie gerade neu? Worauf freuen Sie sich? Heute mit der in Wald aufgewachsenen Schriftstellerin Rebecca C. Schnyder. Sie ist Programmverantwortliche des St.Galler Literaturfestivals Wortlaut – nach einer digitalen Ausgabe 2021 findet es diese Woche wieder im gewohnten Rahmen statt. Derzeit organisiert Rebecca C. Schnyder ein neues Festival der freien Szene in Stadt und Region St.Gallen: PAULA wird 2023 erstmals stattfinden.
Rebecca C. Schnyder, 1986 in Zürich geboren und in Wald AR aufgewachsen, lebt und arbeitet als freie Autorin in St. Gallen. Sie schreibt Theaterstücke, Hörspiele und Prosa. Für ihre Arbeiten erhielt Rebecca C. Schnyder diverse Auszeichnungen, zuletzt den Förderpreis der St. Gallischen Kulturstiftung. 2016 erschien ihr Debütroman «Alles ist besser in der Nacht» im Zürcher Dörlemann Verlag. Rebecca C. Schnyder ist Teil des Theater- und Filmkollektivs EnzlerFingerSchnyder, Präsidentin der Gesellschaft für deutsche Sprache und Literatur St. Gallen GdSL sowie Programm- und Festivalleiterin des St. Galler Literaturfestivals Wortlaut.
Mit ihrem Kulturbüro «Büro Schnyder» projektiert und organisiert sie Kulturveranstaltungen; sie ist als Produktionsleiterin für verschiedene Theaterproduktionen tätig, unter anderem für Michael Fingers Cirque de Loin und die Steinacher Musikfestspiele. Derzeit plant Rebecca C. Schnyder ein neues Festival für die freie Szene in der Region St.Gallen: PAULA. Ende April hat ihr Stück «D’Schtund vo de Zuekunft» Premiere beim Freilichttheater Schänis, in einer Inszenierung von Barbara Schlumpf.
Was lernen Sie gerade neu?
Rebecca C. Schnyder: Ein Kulturprojekt zu planen, ohne von vornherein ehrenamtliche Selbstausbeutung von Kulturschaffenden miteinzuberechnen. Bei vielen Projekten ist diese leider nach wie vor üblich. Und ich lerne ganz viel über inklusive Kultur. Die Hürden und Hindernisse sind klar, sogar die Lösungen liegen vielerorts auf dem Tisch. Nun ist es Zeit für die Umsetzung, flächendeckend und kompromisslos. Wichtig ist dabei, auch ein Umdenken in Gang zu setzen. Oder wie ein Schauspieler mit Down-Syndrom letzthin zu mir meinte: «Ich mag Inklusion nicht. I belong.»
Welches Buch haben Sie zuletzt für sich entdeckt?
Starke Bücher von starken Frauen. Immer neu(e) und immer wieder. «Wider die weibliche Verfügbarkeit» von Franziska Schutzbach zum Beispiel, «Untamed» von der Amerikanerin Glennon Doyle. Aber auch «Frauen im Laufgitter» von Iris von Roten. Sie inspirieren mich und machen mich kämpferisch. Im Leben wie in der Kunst.
Was hat Sie in den letzten Monaten am meisten beschäftigt?
Altes zu erneuern und Neues zu schaffen. Das St.Galler Literaturfestival Wortlaut wollen wir gestärkt aus der Krise der letzten zwei Jahre führen, der Phönix aus der Asche lässt grüssen. Mit «PAULA – Interfestival darstellende Künste» sollen Stadt und Region St.Gallen ab August 2023 ein Festival für die freie Szene erhalten. Wir wollen sichtbar machen, was ist, und anstossen, was noch werden kann. Viel zu viel ist und bleibt aktuell ungesehen, das hat auch mit fehlenden Möglichkeiten und mit nicht vorhandener Infrastruktur zu tun. Das wollen wir ändern. Dass hierfür alle Akteurinnen und Akteure, die es für ein solches Unterfangen braucht, am gleichen Strick ziehen – und dass überhaupt mitziehen –, das beansprucht momentan ein Grossteil meiner Zeit und Energie.
Jeden Dienstag erscheint unser Fragebogen, den wir sportlich «Freipass» nennen. Woche für Woche spielen wir Ostschweizer Kulturschaffenden den Ball zu und sind gespannt, welche Antworten sie uns geben. Den «Freipass» nehmen wir dabei wörtlich: Wir redigieren die Antworten nur minimal und kürzen allenfalls, bearbeiten sie aber nicht weiter.
Wird die Pandemie die Kulturbranche längerfristig verändern – und sehen Sie darin auch etwas Positives?
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und so sehr ich glauben möchte, dass wir aus der Pandemie lernen und wachsen – nicht nur in der Kultur, sondern in der Gesellschaft überhaupt – so glaube ich doch stattdessen, dass sich langfristig eher die alten Gewohnheiten durchsetzen, als dass neue Erkenntnisse diese ablösen.
Vervollständigen Sie den folgenden Satz: «Wenn ich nicht Autorin geworden wäre, wäre ich heute …»
Ausstatterin vielleicht. Oder Schauspielerin? Jedenfalls glaube ich, dass ich auf die eine oder andere Weise am und beim Theater gelandet wäre. True love runs deep.
Mit wem würden Sie gerne einmal zusammenarbeiten und warum?
Da kommen mir zuerst all die tollen Menschen und Kulturschaffenden in den Sinn, mit denen ich bereits arbeiten durfte und darf. Um die Frage aber zu beantworten: mit einer richtig guten Schweizer Filmproduktionsfirma. Es gibt da ein tolles Drehbuch vom Kollektiv EnzlerFingerSchnyder in der Schublade…
Worauf freuen Sie sich?
Auf den 27. August 2023, den geplanten Schlussabend von PAULA – um dann hoffentlich sagen zu können: Da wir haben wir jetzt was wirklich Tolles und Grosses geschaffen und geschafft.