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Ostschweizer Kultur
In einer Serie bieten wir jeden Freitag Ostschweizer Kulturschaffenden eine Bühne und stellen ihre Projekte vor. Heute Folge 12 mit der Puppenspielerin, Texterin und Regisseurin Kathrin Bosshard aus Herisau. Sie kann zur Zeit mit ihren Stücken nicht auftreten, erlebt dafür eine Zeit der inneren Sammlung – und hofft, dass am Ende der Coronakrise ein Grundeinkommen für alle stehen wird.
Kathrin Bosshard ist im Kanton Appenzell Ausserrhoden aufgewachsen und studierte Puppenspielkunst an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Im Jahr 2000 gründete die 48-Jährige das Theater Fleisch + Pappe und realisierte unter diesem Theaternamen zahlreiche Theaterprojekte. Von 2001 – 2004 arbeitete sie als Dozentin für Figurenspiel an der Hochschule für Musik und Theater in Zürich (heute ZHdK). Heute wohnt sie in Herisau und arbeitet als Regisseurin, Texterin, Schauspielerin und Puppenspielerin für ihr eigenes Theater und andere Bühnen - beispielsweise ist sie Ensemblemitglied des Satireprogrammes «Bundesordner» am Casinotheater Winterthur. Nach diversen Auszeichnungen und Werkbeiträgen erhielt sie 2019 den Kulturpreis des Kantons Appenzell Ausserrhoden und 2020 den Schweizer Theaterpreis.
Was hat sich für Sie seit Ausbruch der Pandemie verändert?
Kathrin Bosshard: Ich habe sehr viel Zeit und den grössten Teil davon verbringe ich mit mir allein. Das fordert mich heraus, ist schön, anstrengend und fruchtbar. Es ist für mich eine wertvolle Zeit der inneren Sammlung.
Können Sie trotz der Einschränkungen Ihrer Kunst nachgehen?
Auftreten kann ich nicht mehr. Aber das ist nur ein Teil meiner Arbeit, wenn auch ein wesentlicher. Anstelle dessen habe ich vieles erledigen können, wofür ich vorher nie Zeit fand. Und ich bin wie gesagt am Sammeln. Ich beobachte was auf der Welt abgeht, wie die Gesellschaft und ihre Exponenten sich verhalten. Ausserdem spaziere, zeichne, singe und male ich viel, das hält mich im Gleichgewicht.
Wie hoch sind Ihre Einbussen wegen Corona? Was fällt für Sie alles ins Wasser?
Ohne Auftritte habe ich so gut wie keine Einnahmen mehr. Jedoch greifen bei mir bis jetzt die verschiedenen Unterstützungsmassnahmen für Kunstschaffende. Das ist grossartig und ich wünsche das allen Betroffenen. Ich hoffe die Covid-Situation beschleunigt die Einführung des Grundeinkommens, eine Sache, die meiner Meinung nach früher oder später ohnehin kommen wird.
Denken Sie manchmal ans Aufhören?
Nicht wegen Corona. Ich habe aktuell zwei Stücke, eines für Kinder und eines für Erwachsene. Die möchte ich sehr gerne noch weiter aufführen. Ob ich dann neue Programme mache, wird sich zeigen. Ich habe eine Künstlerseele und werde mich immer irgendwie künstlerisch ausdrücken, aber ich muss nicht zwingend auf die Bühne. Bisher war es so, dass ich jeweils den dringenden Impuls verspürte, ein neues Stück zu machen. Eine unbändige Lust. Ohne dieses innere Feuer hätte ich nicht die Kraft, den Widerständen zu trotzen, die sich der Realisierung eines Theaterprojekts in den Weg stellen. Mir ist es wichtig, immer wieder zu prüfen, ob das was ich tue noch für mich passt oder ob neue Wege angesagt sind.
Was spornt Sie an, weiterzumachen?
Das Leben.
Gibt es für Sie auch positive Corona-Effekte?
Da ich mich trotz dem Aufführungsverbot von Covid nicht hart getroffen fühle, wäre es für mich leicht, positive Effekte aufzuzählen. Für viele ist die Covid-Situation jedoch eine Katastrophe und das tut mir leid. Solange die Katastrophe nicht durchgestanden ist, bleibt sie eine Katastrophe, von positiven Effekten zu sprechen scheint mir in Anbetracht dessen nicht angemessen. Ich denke vor allem auch an Menschen in Ländern mit schlechten Gesundheits- und Sozialsystemen.
Was wünschen Sie sich für 2021?
Ein konstruktives Miteinander, ein wachsendes Bewusstsein für Ökologie und Ganzheitlichkeit und darüber hinaus wünsche ich mir, dass weltweit alle Flüchtlinge im 2021 eine Heimat finden, Heilung von ihren traumatischen Erlebnissen erfahren und als anerkannte Menschen ihren wertvollen Beitrag auf dieser Erde leisten dürfen.
Ihre beiden aktuellen Soloprogramme «Unter Artgenossen» (für Erwachsene) und «Frederick» (für Kinder) kann Kathrin Bosshard derzeit nicht zeigen. «Frederick» nach dem Bilderbuch von Leo Lionni hat sie während des Lockdowns überarbeitet und angepasst. Im Schaukasten der Bibliothek Herisau sind momentan immerhin einige ihrer Puppen ausgestellt - einige hat sie dafür auch extra kreiert: die «Lockdownmäuse», inspiriert durch «Frederick».
Ins Wasser fällt der diesjährige «Bundesordner»: das Satireprogramm des Casinotheaters Winterthur, zu dessen Ensemble Kathrin Bosshard gehört. Für die letzte Ausgabe 2019, die im Januar und Februar 2020 am Casinotheater über die Bühne ging, steuerte sie eine Strassenumfrage unter Puppen zum Thema 5G bei - oben ein Filmausschnitt.