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Ostschweizer Kultur
In einer Serie bieten wir jeden Freitag Ostschweizer Kulturschaffenden eine Bühne und stellen ihre Projekte vor. Heute Folge 17 mit der Künstlerin Lilly Langenegger. Ihre Tage vergehen trotz Corona wie im Fluge. Wenn sie nicht gerade an ihren verspielten Fantasiebäumen arbeitet, spielt sie Rummikub, schreibt Briefe, geht spazieren oder telefoniert.
Die Gaiser Bauernmalerin Lilly Langenegger ist durch ihre drei Kinderbücher «Flöckli, das Geisslein», «Bläss und Zita» und «Tigerli kommt heim» bekannt geworden. Die 76-jährige neunfache Grossmutter zeichnet heute keine Bilderbücher mehr, aber zeichnet fast täglich ihre Fantasiebäume. Seit März sind sie und ihr Mann gegen Covid-19 geimpft. 1969 wurde die gelernte Kindergärtnerin durch Heirat Bäuerin. In den Siebzigerjahren begann sie sich als Autodidaktin mit der Bauernmalerei zu beschäftigen. Damit verdiente sie einen schönen Zustupf für den Bauernbetrieb.
Was hat sich für Sie seit Ausbruch der Pandemie verändert?
Lilly Langenegger: Ich habe gerne Leute um mich. Mir fehlen deshalb die Begegnungen an Ausstellungen und Märkten, wo ich mit meinen Büchern und Werken vor der Pandemie präsent war. Ich traf Väter mit kleinen Kindern auf den Schultern, die mir erzählten, dass sie als Kinder meine Bilderbücher gelesen hätten. Zum Glück ergeben sich immer wieder kleine Gespräche auf der Strasse, beim Einkaufen oder bei einem Spaziergang. Gerne würde ich auch wieder Linedance machen. Meine Woche geht trotzdem wahnsinnig schnell vorbei. Ich spiele sehr gerne Rummikub – dreimal morgens und dreimal abends. Ausserdem schreibe ich seit Ausbruch der Pandemie viele Briefe – an die Mitglieder aller Vereine, bei welchen ich dabei bin. Jetzt gerade sind die Seniorenturner dran und als Nächstes die Landfrauen. Alle paar Tage schreibt mir jemand zurück, was mich freut. Die Couverts verziere ich am Rand mit Kalligrafie, um wieder in Übung zu kommen. Ausserdem blättere ich mein Telefonverzeichnis durch und rufe Leute an, von denen ich schon lange nichts mehr gehört habe.
Können Sie trotz der Einschränkungen Ihrer Kunst nachgehen?
Ja. Beinahe täglich arbeite ich an meinen Fantasiebäumen, die ich mit Schmetterlingen und Vögeln verziere. Das ist Erholung für mich. Die Fantasiebäume werde ich nächsten Frühling in der Rehaklinik in Gais ausstellen. Seit ich vor 13 Jahren sehr starke Rückenschmerzen hatte, habe ich aber mit der Bauernmalerei abgeschlossen.
Wie hoch sind Ihre Einbussen wegen Corona? Was fällt für Sie alles ins Wasser?
Meine Ausstellung in der Klinik Stephanshorn in St.Gallen wurde zweimal verschoben. Nun ist sie zwar noch bis Ende März zu sehen, aber für externe Besucher nicht zugänglich. Die Hälfte der Werke, die dort zu sehen sind, können ab April in der Medbase Teufen besichtigt werden (siehe unten). Alle meine Kinderbücher verkaufen sich zum Glück sehr gut. Besonders beliebt ist gerade «Mini-Lilly», mein jüngstes Buch für die Kleinsten mit Seiten aus dickem Karton. Es ist ein Best-of meiner drei Bilderbücher.
Denken Sie manchmal ans Aufhören?
Nein! Ich habe zu viele Ideen. Wenn ich uralt und im Altersheim bin, werde ich noch Schubladen voller Material zum Basteln haben. Ich muss immer etwas tun.
Was spornt Sie an, weiterzumachen?
Die Freude der Leute an meinen Bildern. Und die Freude, die mir meine Arbeit bereitet.
Gibt es für Sie auch positive Corona-Effekte?
Dass man die Gesundheit mehr schätzt. Wir haben jetzt erfahren, wie schnell sich alles ändern kann. Es freut mich, dass die Leute das Wandern und Velofahren neu entdeckt haben und die Schönheit der Natur vor der eigenen Haustüre.
Was wünschen Sie sich für 2021?
Wir können Corona nicht wegzaubern, aber ich hoffe, dass wir das Virus in diesem Jahr in den Griff bekommen und es nicht mehr das Hauptthema sein wird. Ich wünsche mir deshalb, dass man die Pandemie ernst nimmt und vorsichtig ist. Vor 22 Jahren lag ich mit dem Guillaume-Barré-Syndrom, einer seltenen Viruserkrankung, auf der Intensivstation und wurde intubiert: Ich weiss also, was das bedeutet.
Bis im Herbst 2021 ist in der Medbase in Teufen ein Querschnitt aus Lilly Langeneggers Schaffen zu sehen. Darunter sind Rosenbilder, die zu den ersten Motiven in den Jugendjahren der Autodidaktin zählten. Nun ist sie wieder zu den Rosen zurückgekehrt. Ausserdem sind Bauernbilder und Fantasiebäume zu sehen, an welchen Langenegger zurzeit fast täglich arbeitet. Die Künstlerin zeigt ausserdem Druckgrafiken. Die Technik des Radierens lernte sie einst beim St.Galler Künstler Max Oertli.
Auf telefonische Anfrage ist Lilly Langenegger gerne bereit, jeweils ein bis zwei Personen persönlich durch ihre Ausstellung in Teufen zu führen.
Medbase Teufen, Speicherstrasse 8, Ausstellung bis Herbst 2021. Telefon Lilly Langeneggger: 071/793 14 05.