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Ostschweizer Kultur
In einer Serie bieten wir jeden Freitag Ostschweizer Kulturschaffenden eine Bühne und stellen ihre Projekte vor. Heute Folge 16 mit der Lyrikerin Monika Schnyder. Das stille Schreibkämmerlein ist ihr geblieben – doch ihr Verlag stellte Ende 2020 das Programm ein. Im Lockdown fehlte Monika Schnyder das Bibliothekscafé: ein Lektüreort, der oft zum Schreiben inspirierte.
Das dänische Wort «hyggelig» konnte man in den Gedichten Monika Schnyders schon finden, als es noch nicht in Mode und in aller Munde war: im 2011 erschienenen Lyrikband «blattzungen». Die 1945 in Zürich geborene Autorin schrieb Reportagen für den «Tagesanzeiger»; seit 2000 lebt sie in St. Gallen und erteilt neben dem Schreiben auch Sprachunterricht in Arabisch. Im Frühjahr 2020 erhielt sie den Anerkennungspreis der St. Gallischen Kulturstiftung.
So gern, wie sie mit fremden Sprachen spielt und sich für ihre Texte, Gedichte wie Reportagen, in ganz unterschiedliche Wissensgebiete vertieft, so gerne reist sie, vor allem in den Orient und nach Italien. Entsprechend welthaltig ist auch ihr Schreiben: schwungvoll tänzelt sie dabei durch die Mythologie, den Makro- wie den Mikrokosmos. Das Reisen hat ihr als Inspirationsquelle gefehlt – doch mindestens ebenso ihr täglicher Abstecher ins Bibliothekscafé zur Lektüre der Tageszeitungen.
Was hat sich für Sie seit Ausbruch der Pandemie verändert?
Monika Schnyder: Mit der Schliessung des Bibliocafés «Café St.Gall» in der Bibliothek Hauptpost ging mein tägliches Morgenritual mit Kaffee und Zeitunglesen verloren. Nicht selten hat mir die allmorgendliche Lektüre auch Impulse für mein Schreiben gegeben.
Können Sie trotz der Einschränkungen Ihrer Kunst nachgehen?
Arbeiten im stillen Kämmerlein ist auch während einer Pandemie möglich. Was mir fehlt, ist das Reisen/die Schreibaufenthalte an bisher unbekannten Orten. Sie führten am zuverlässigsten zu neuen Texten.
Wie hoch sind Ihre Einbussen wegen Corona? Was fällt für Sie alles ins Wasser?
Mein letzter Band ist 2019 erschienen, der nächste könnte 2022 herauskommen. Erst dann gibt es wieder eine Buchvorstellung, Lesungen, vielleicht eine Lesereise und damit Aussicht auf Einkommen.
Denken Sie manchmal ans Aufhören?
Niemals, nein!
Was spornt Sie an, weiterzumachen?
Meine Themen. Je intensiver ich mich mit einem Gegenstand befasse, sei es die Entstehung der Meere, der Verkehr oder ein Winzigwesen wie das Silberfischchen, desto spannender wird er. Ausserdem strukturiert das Schreiben den Tag.
Gibt es für Sie auch positive Corona-Effekte?
Dass sich die Agenda immer mehr leerte und somit mehr Musse und Raum zum Arbeiten versprach, gefiel mir - zumindest eine zeitlang.
Was wünschen Sie sich für 2021?
Ich hoffe, dass wir bald wieder reisen können – und ich einen Verlag finde. Der für uns Lyrikerinnen und Lyriker bisher unverzichtbare Wolfbach Verlag DIE REIHE hat auf Ende 2020 aufgegeben, leider.
Noch ausstehend ist ein Rechercheaufenthalt der Lyrikerin in den Balzi Rossi, Italien, und zwei Museumsbesuche in Deutschland. Danach sollten die Texte für einen neuen Lyrikband stehen, der Arbeitstitel für dieses Buch ist «Drift».
Auch die Pandemie hat Monika Schnyder zum Schreiben inspiriert. Zwei aktuelle Gedichte reflektieren den «Panischen Frühling»; die Texte gehören zum Teil «Plagegeister» des geplanten neuen Lyrikbandes. Er soll im Frühjahr 2022 im Caracol-Verlag erscheinen.
Winzlinge
Winzlinge serielle Selbst-
läufer Geistteilchen Windbeutel
mit Minisendern versehen
woher wohin?
Ausgebüxt wie es heisst
klandestin jetzt aber
Wellen und immer mehr
Wellen Millionen Virionen und
immer mehr Attack
survival oft he fittest
Panischer Frühling
Stroboskopblitze
in meinem Kopf
Lautlos schweben wir steigen
fallen überwinden Wände
still und leise knacken
fremde Codes
Wir sind das A & O Trigger
der Evolution
aus der Ursuppe entstanden
copy and paste
entern wir kidnappen wir
schleusen uns ein penetrieren
dirigieren drehen euch
eine lange Nase
ziehen weiter
wir Viren