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Ostschweizer Kultur
In einer Serie bieten wir jeden Freitag Ostschweizer Kulturschaffenden eine Bühne und stellen ihre Projekte vor. Heute Folge 14 mit dem Theatermacher Oliver Kühn aus St.Gallen. Finanziell halte sich der Schaden für sein «Theater Jetzt» in der Coronakrise in Grenzen, sagt er.
Oliver Kühn hat an der Schauspiel Akademie Zürich (heute Zürcher Hochschule der Künste) studiert und ist tätig als Bühnendarsteller, Autor und Spielleiter. Er gründete 1994 das Ostschweizer Theater Jetzt und ist Initiant (Idee und Stückentwicklung) diverser Projekte in den Bereichen Musik- und Recherchentheater, Animation und Film bis zu Experimentellem. Er ist angetan von der Idee, dass das Theater zu den Leuten geht, immer und überall stattfinden kann und mehr ist als «Bühne - Vorhang - Publikum». Seine Stücke werden oft «aus dem Ort für den Ort» erarbeitet. Dabei entstehen erste Textfassungen, die zusammen mit dem Ensemble weiter zur Spielfassung erarbeitet werden. Kühn hat auch diverse Projekte mit Kindern und Jugendlichen realisiert. Kühn unterrichtet an der Schauspielschule Zürich das Fach Rollenstudium.
Was hat sich für Sie seit Ausbruch der Pandemie verändert?
Oliver Kühn: Es gibt natürlich viel weniger Publikumskontakt. Es fielen bis jetzt etwa zwölf Vorstellungen weg. Dadurch ist aber auch die Möglichkeit gegeben, in Ruhe die nächsten zwei Jahre vorzubereiten ohne dieses blöde Gefühl, immer ein paar Wochen «hinter Planung» zu sein.
Können Sie trotz der Einschränkungen Ihrer Kunst nachgehen?
Mit den Theater-Jetzt-Produktionen hatten wir bis dato sehr viel Glück. Entweder fielen sie in den Herbst, als die Massnahmen nicht so eingreifend waren, zum andern hatten wir zum Stück «Trainingslager» aus glücklichen Umständen heraus ein Budget erstellt, das mit der letzten Vorstellung am 6. Dezember nur ein kleines Defizit zurücklässt. Bis 13. Februar sind ja alle Vorstellungen der Ostschweiz-Tournee ausgefallen. Unter der Voraussetzung, dass die gesprochenen Gelder ausbezahlt werden, kommen wir mit einem blauen Auge davon.
Wie hoch sind Ihre Einbussen wegen Corona? Was fällt für Sie alles ins Wasser?
Wie gesagt – finanziell hält sich der Schaden bis jetzt in Grenzen. Aber auch dank Rückstellungen aus früheren Jahren. «Ins Wasser» fällt vor allem das «Live-Erlebnis Theater».
Denken Sie manchmal ans Aufhören?
Aus Coronagründen? Nein.
Was spornt Sie an, weiterzumachen?
Das Theater Jetzt gibt es seit 1994. Seither ist schon so viel Gutes und anderes passiert. Bei Corona ist es nicht das erste Mal, dass es nicht so läuft, wie es soll. Es ging immer weiter. Also auch diesmal. Theater ist schon per se ein Grund zum Weitermachen.
Gibt es für Sie auch positive Corona-Effekte?
Corona hat – theatralisch gesprochen – etwas Demaskierendes. Mal zu sehen, wie das hier so läuft, wenn es zu einer Krise kommt, das hat im besten Falle auch etwas von einem «Trainingslager». Sollte es tatsächlich einmal zu einer Klimakatastrophe kommen, vermute ich, würde «normalerweise» ohne diese Coronakrise monatelang zwischen den Lösungen «Schwimmflügeli» und «Rettungsring» hin- und her diskutiert werden. Dass man da in komplexeren Zusammenhängen schon früher denken muss, greift jetzt vielleicht «dank Corona».
Was wünschen Sie sich für 2021?
Alles soll wieder – angepasst – funktionieren können. Wirtschaft, Kultur, das öffentliche Leben. Das dürfte wahrscheinlich nur gehen, wenn die öffentliche Diskussion um Corona weiter gefasst wird als mit Abstandsregeln, Personenanzahl und Maskenpflicht. Und ja – vielleicht bewegen wir Kultis uns irgendwann aus unserer teilweise abgehobenen Kunst-Bubble wieder mal in gesellschaftsrelevantere Gefilde – auch das könnte Corona auslösen.
Für diesen Sommer im August plant Oliver Kühn für die Steinacher Festspiele die Produktion «Calypso – die schaurigschöne Bodensee-Revue». Das Stück soll in Co-Produktion mit dem Cirque de loin realisiert werden. Für den Sommer 2022 ist Oliver Kühn wiederum im Puschlav zu Gast, wo er schon einige Produktionen umgesetzt hat. «Santa Alluvione» (heilige Überschwemmung) ist das geplante Stück, das in Poschiavo gezeigt wird, betitelt.