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Sein Buch heisst «Siebenmeilenstiefel» und erzählt sprunghaft von zwei Geschwistern, die ihrem Dorf im Pick-up des Onkels davonbrausen. Doch Simon Deckert, 1990 in Vorarlberg geboren, war mit dem Manuskript lange und bedächtig unterwegs.
Noch sind die Handgriffe hinter dem Tresen nicht Routine für Simon Deckert; er muss kurz überlegen und ausprobieren, wie wir zu heissem Wasser für eine Tasse Tee kommen. Kein Wunder – das Bistro, erst zu Beginn der Spielzeit als kleine Bühne und gemütlicher Treffpunkt vor und nach den Vorstellungen im Figurentheater eröffnet, konnte bislang kaum ausgiebig genutzt werden.
Immerhin sass Simon Deckert hier schon vor Publikum im Rampenlicht, vielmehr: im sanften Kerzenschein. «Adventskerzen» hiess das Format, für das er im Dezember einen Abend mit musikalisch-literarischem Erzähltheater beigesteuert hat; Winterpoesie aus Wales, von Dylan Thomas, begleitet mit Gitarre, Gesang, mit leicht surrealen Kindheitsszenen, wie sie auch in seinem Romandébut «Siebenmeilenstiefeln» immer wieder dazwischenhuschen.
Schon vor dem zweiten Auftritt gingen jedoch coronabedingt wieder die Lichter aus am Figurentheater. Seit zwei Jahren ist Simon Deckert, 1990 in Vorarlberg geboren und in Liechtenstein aufgewachsen, hier Assistent. Er übernimmt vor allem Schreibarbeit: Briefe an Schulen, den Newsletter, auch an der Textfassung für «Die Bremer Stadtmusikanten» hat er mitgeschrieben. Der Teilzeitjob entspricht ihm; zum Theater hat er seit seiner Schulzeit eine enge Verbindung – und das Pensum lässt ihm Freiraum für eigene Projekte. So konnte er das Manuskript seines lange gereiften ersten Romans überarbeiten und fertigstellen. Zudem hat er genügend Zeit für seinen zweijährigen Sohn.
Dass das Schreiben seine Sache ist, merkte Simon Deckert früh. «Nach der Matura habe ich kurz den Mut verloren», erzählt er, «so landete ich zunächst an der Uni.» Es war nicht das, was zu ihm passte. Beim Vorsprechen an der Schauspielschule fiel er in der ersten Runde heraus – auch das war gut so, sagt er heute. Es sollte die dritte Tür sein, hinter der das Glück wartete.
So schickte er Textproben und ein Motivationsschreiben ans Bieler Literaturinstitut: Hier war er richtig, studierte ab 2009 literarisches Schreiben im Jahrgang mit Julia Weber und Heinz Helle.
«Anfangs war es eine Herausforderung am Literaturinstitut; ich war als 19-jähriger vergleichsweise jung und unerfahren.»
Wie ein Schwamm habe er alles aufgesaugt, im Austausch mit den anderen viel gelernt für das eigene Schreiben. An «Siebenmeilenstiefel» hat Deckert schon in der Zeit in Biel gearbeitet, während des Studiums. Bis daraus aber ein Roman wurde, vergingen noch ein paar Jahre.
Jetzt ist er da, ein vielversprechendes Début, erschienen im Zürcher Rotpunkt Verlag. «Luftig-poetisch», so fand Charles Linsmayer in dieser Zeitung (Ausgabe vom 4.1.21), sei die Geschichte der Geschwister Michl und Andrea, die im Pick-up des Onkels aus dem trostlosen Dorf in Vorarlberg abhauen, in märchenhafter Naivität Neuland suchen und zugleich alten Familiengeschichten auf der Spur sind.
Es ist ein Text, der eine Weile mäandert, mehrstimmig springt, dann immer zielgerichteter erzählt, aus Sicht der 22-jährigen Andrea. «In der Entwicklung dieser Figur steckt viel vom meiner eigenen», sagt Simon Deckert. Er ist froh, dass er drangeblieben ist. «Jeder Text geht den Weg, den er braucht», sagt er, in seiner nachdenklichen Art. Am Schreiben faszinieren ihn die Momente, in denen er weiss, was er erzählen will, aber noch nicht genau, wohin es führt. «Das kann berauschend sein.» Auch der nächste Text wird diesen Weg gehen. In aller Ruhe.