Soundperformance
«Wir dürfen das Feld nicht einfach den Männern überlassen»: Die St.Gallerin Claude Bühler geht mit ihrem feministischen Klanglabor auf Reisen

2019 gründete die St.Galler Musikerin, Künstlerin und Fotografin Claude Bühler die feministische Vernetzungsplattform «Salon Vert». Ihr neustes und bisher grösstes Projekt heisst «Voyage» und findet an sieben verschiedenen Orten in der Schweiz statt. Auftakt ist am Samstag in St.Gallen.

Claudio Weder Jetzt kommentieren
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Binta Kopp, Morena Barra, Claude Bühler und Anna Villiger arbeiten derzeit im Frauenpavillon St.Gallen an einer audiovisuellen Soundperformance.

Binta Kopp, Morena Barra, Claude Bühler und Anna Villiger arbeiten derzeit im Frauenpavillon St.Gallen an einer audiovisuellen Soundperformance.

Bild: Ralph Ribi

Aus dem Frauenpavillon dröhnen laute elektronische Klänge. Das tempelartige Gebäude im St.Galler Stadtpark ist derzeit ein Soundlabor. Synthesizer, Sampler, Mischpulte und Kabel in allen Farben liegen auf einem Tisch verteilt. Hier tüfteln Claude Bühler, Anna Villiger, Morena Barra und Binta Kopp gerade an einer audiovisuellen Performance, die sie am Samstagabend im Rahmen der Museumsnacht aufführen werden.

Seit Mittwoch arbeiten die vier Frauen im Pavillon. «Wir versuchen, Videoarbeiten von Morena Barra mit Sounds zu kombinieren, die wir hier vor Ort produzieren», erzählt Claude Bühler. Die St.Gallerin macht seit mehreren Jahren elektronische Musik. Mit ihrem Soloprojekt Candy Sändy lotet sie die Grenze zwischen DJing und dem Erschaffen experimenteller elektronischer Klangräume aus. Anna Villiger und Binta Kopp sind ebenfalls in dieser Welt zu Hause: Villiger, die in Frauenfeld wohnt, legt als DJane regelmässig unter dem Namen Yung Porno Büsi auf. Und Kopp, die in Bern Fine Arts studiert hat, arbeitet nicht nur mit Videos, sondern auch mit sphärischen Soundlandschaften.

Fehlendes technisches Know-how als Hürde

Die Zeit im Pavillon dient aber auch dem Austausch: «Wir unterhalten uns über popkulturelle Themen und Feminismus, lernen voneinander, entwickeln uns weiter, probieren neue Dinge aus», sagt Claude Bühler. Genau dieses Ziel verfolgt sie seit 2019 mit ihrem «Salon Vert», einer Vernetzungsplattform, die sich speziell an Flinta*-Personen richtet, also an Frauen, Lesben, Inter-, Trans-, Agenderpersonen (der Stern bedeutet, dass diese Aufzählung nicht abschliessend ist). Besonders für Frauen gestalte sich der Einstieg in die Musikszene schwierig: «Eine Hürde ist das fehlende technische Know-how», sagt Bühler. Ein weiteres Problem seien aber auch die fehlenden Räume, sowohl die physischen als auch die sozialen.

Dass die Bandräume oft von Männern besetzt sind, kennt Bühler aus ihrer eigenen Erfahrung. Aus diesem Grund schuf sie einen solchen Raum gleich selber: den «Salon Vert», benannt nach dem grünen Teppich in ihrem ehemaligen Atelier im ausserrhodischen Teufen. Dorthin lud sie immer wieder Musikerinnen zu Aufnahmesessions ein, führte mit ihnen Interviews durch, die sie dann auf Soundcloud veröffentlichte. Manche dieser Sessions wurden auch im Radio ausgestrahlt. Im Sommer 2020 führte Claude Bühler ihr «Salon Vert»-Projekt erstmals im Frauenpavillon St.Gallen durch. Acht Künstlerinnen lud sie während eines Monats zum «experimentellen musikalischen Diskurs» ein. Die daraus entstandenen Soundaufnahmen gab sie im Sommer 2021 als Mixtape heraus.

Das Teaservideo zum 2021 veröffentlichten Mixtape «Discours Féministes».

Video: Youtube

Bisher grösstes Projekt

Die Erfahrungen mit dem «Salon Vert» seien sehr positiv, bilanziert Bühler. Sie sagt:

«Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass ein Bedürfnis nach einem solchen Experimentierfeld besteht.»

In der Zwischenzeit ist der «Salon Vert» zu einem grösseren Netzwerk herangewachsen, das über die Ostschweiz hinausreicht. «In unserem Telegram-Gruppenchat sind über 60 Personen. Alle waren in den letzten drei Jahren in irgendeiner Form an einem Projekt des ‹Salon Vert› beteiligt.»

Und nun soll mit «Voyage», so heisst das aktuelle und bisher grösste Projekt, das Netz noch einmal etwas weiter gespannt werden. Nach dem Start in St.Gallen wird der «Salon Vert» im kommenden Halbjahr zu Gast sein bei befreundeten Kuratorinnen in Wetzikon, Bern, Baden, Luzern, Frauenfeld und Kreuzlingen. Diese werden ihrerseits wieder lokale und internationale Künstlerinnen für eine Kurzresidenz einladen. Im Anschluss daran werden die Resultate, wie in St.Gallen, in Form einer öffentlichen Performance präsentiert.

Wie gross das Netzwerk einmal werden soll, weiss Claude Bühler aber nicht. «Ich finde es schön, wenn es laufend wächst. Aber irgendwann hat es eine Dimension erreicht, wo es kaum mehr praktikabel sein wird.» Aus dem «Salon Vert», der seit April ein Verein ist, irgendwann ein grosses Label zu machen, komme nicht in Frage. Vielmehr versteht Bühler das Projekt als Impuls:

«Ziel ist es, damit andere Frauen zu inspirieren, ihre eigenen Projekte durchzuführen. Wir dürfen das Feld nicht einfach den Männern überlassen.»

Performance am Samstag, 10.9., 20 Uhr, im Frauenpavillon im Stadtpark St.Gallen. Infos unter www.salon-vert.ch

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