«Bühnen Bern» spielen im Stadttheater erstmals Richard Wagners «Ring des Nibelungen», der Start ist vielversprechend, der Weg noch lang.
«Vollendet ist das ewige Werk» jubelt Göttervater Wotan beim Blick in die Morgenpresse, wo es offenbar schöne Bilder über das neue Zuhause zu sehen gibt. Gar nicht lustig findet das seine Frau, denn auf dem Bau der Burg lastet ein übles Pfand: ihre Schwester Freia.
Es ist der falsche Moment, um sich zu freuen – und noch gar nichts vollendet ist in Bern, denn Richard Wagners 16-Stundenwerk «Der Ring des Nibelungen» nahm mit dem «Rheingold» erst seinen Anfang. «Die Walküre, dann «Siegfried» und schliesslich «Die Götterdämmerung» werden in den nächsten Jahren folgen, bis «Lord of the Rings für Opernfans» fertig ist.
Es ist die erste «Ring»-Aufführung in der 118-jährigen Geschichte des Stadttheaters Bern. Obwohl hier oft Wagner gespielt wurde, glaubte man, dass der «Ring» den architektonischen Rahmen des Hauses sprenge. Leute, die dasselbe sogar von Zürich behaupten, werden überrascht sein, wie prächtig dieses «Rheingold» über die Bühne kommt, auch wenn die Harfenistinnen aus Platzmangel in die Seitenlogen verbannt sind.
Im «Rheingold» ist der Ring frisch geschmiedet: Um das Gold zu erhalten, hat Alberich der Liebe entsagt. Doch Wotan klaut ihm den Ring, alsbald ist der Fingerschmuck, mittlerweile von Alberich verflucht, an eines Riesen Hand... und das Unglück nimmt seinen Lauf. Stunden, ja Jahre später wird ihn Siegfried tragen, am Ende der «Götterdämmerung» – das halbe Personal ist mittlerweile tot – gelangt er wieder in die Flossen der Rheintöchter.
Für ein Opernhaus gibt es keine grössere Herausforderung als den «Ring»: Das Riesenwerk erlaubt keine Halbheiten, mit ihm zeigt ein Theater, welcher Geist da weht. In Bern ein frischer! Die 37-jährige Polin Ewelina Marciniak erzählt das «Rheingold» überraschend linear, setzt aber immer wieder Ausrufezeichen, gibt Denkanregungen – und einiges weist darauf hin, was da einst geschehen wird. Bald mit Melancholie, bald mit Witz: Zum Schreien der Auftritt der Riesen Fafner und Fasolt als tumbe Vorstadt-Rapper, kühn das Ende, wo aus den verspielten Rheintöchtern athletische Frauen werden, die an die kriegerischen Walküren erinnern, die Hojotoho schreiend und Schwerter schwingend über die Bühne preschen werden.
Die Musik mag in dieser Stelle die Pracht und Macht der Götter hochleben, aber zu feiern gibt es aber gar nichts, was auch Dirigent Nicholas Carter und das hocherfreulich aufspielende Berner Symphonieorchester trotzig andeuteten. Carter hat die Akustik des Hauses im Griff, sucht (und findet) die lyrischen Seiten, bringt die meisten Sänger dazu, weniger zu deklamieren, als vielmehr zu singen, und geniesst die Fortissimo-Entladungen dennoch.
Die 14 Rollen sind sehr gut besetzt, niemand fällt ab. Jede Figur ist von der preisgekrönten Theaterregisseurin Ewelina Marciniak schön gezeichnet, was allerdings im «Rheingold» noch keine Kunst ist: Hier ist so viel Zug in der Handlung, dass man meist freudig die Folgeabende erwartet – und dann enttäuscht wird.
Wie das wohl in Bern wird? Jedenfalls muss man sich anstrengen, startet doch schon im April das Opernhaus Zürich mit Regisseur Andreas Homoki ins Abenteuer «Ring». Wer zu früh jubelt, weint am Ende.
Rheingold: Stadttheater Bern, acht Mal bis 5. März.