Museum
Neue Ausstellung: Weniger Manon, mehr Vergänglichkeit

Das Kunsthaus Zofingen zeigt die jüngsten Arbeiten der St. Gallerin - in diesen setzt sie sich mit Krankheit und Tod auseinander.

Kelly Spielmann
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Manons "Lachgas" im Kunsthaus Zofingen. (Rachel Bühlmann)

Manons "Lachgas" im Kunsthaus Zofingen. (Rachel Bühlmann)

CH Media

Mit dunkelroten, gespitzten Lippen, das Kinn leicht angehoben, steht Manon am Rand des Saals und blickt durch die kleinen, dunkeln Gläser ihrer Sonnenbrille zum Rednerpult. Dort referiert Claudia Waldner, die künstlerische Leiterin des Kunsthauses Zofingen, über die Zusammenarbeit im Vorfeld der Ausstellung «Manon», die eben eröffnet wurde. Manons Mimik verändert sich in den ersten Minuten der Rede kaum. Lässig steht sie da und hört zu, ohne sich zu bewegen.

Mehrere Jahre haben die Vorbereitungen gedauert, wie Waldner erzählt. «Und während ich immer müder wurde, schien Manons Energie nur zu wachsen», sagt sie. Und entlockt der Künstlerin damit ein Lächeln - kaum sichtbar, aber da. Je länger die Rede andauert, desto öfter und offener grinst Manon und nickt zum Schluss sogar energetisch mit, während Waldner über den Arbeitsprozess der Künstlerin spricht. Sie habe während der Zusammenarbeit gemerkt, dass es tatsächlich stimme, dass Arbeit und Leben für Manon eins seien. Und Manon nickt wieder, dieses Mal mit einem grossen Lächeln im Gesicht. Die Energie, die Waldner kurz zuvor erwähnt hat, ist plötzlich spürbar, wenn es um Manons Kunst geht.

Pillen und Zwangsjacke, Spitalbett und Ballkleid

Daran, dass Leben und Arbeiten eins sind, liegt es auch, dass Manon selbst mit bald 80 Jahren noch neue Werke kreiert. Im Obergeschoss des Kunsthauses Zofingen, in einem barocken Raum voller Stuckaturen an der Decke, von der drei Kronleuchter hängen, ist das neuste Ergebnis ihrer Arbeit zu finden: «Lachgas», so der Name.

In der Mitte des Raums, der für die Arbeit mit einem schwarz-weiss karierten Boden ausgestattet wurde, steht ein Podest, auf dem ein Spitalbett platziert wurde. Weiss und steril steht es da, während das Podest mit Glühbirnen besetzt blinkt und Broadway-Charakter ausstrahlt. Es zeigt Glamour und Rampenlicht, aber auch Krankheit und Tod. Ein Kontrast, der irritiert, aber auch einlädt, genauer hinzuschauen.

Beispielsweise zum Kleiderständer am anderen Ende des Raums: Dort hängt ein pinkfarbenes, mit Federn und Glitzer besetztes Ballkleid der 70er-Jahre, einst Teil des «lachsfarbenen Boudoir», einem von Manons ersten Werken. Der grosse Saal symbolisiert das Alter: Das Kleid wird nicht mehr getragen, das Krankenbett steht bereit. Doch Manon gibt den Glamour noch nicht auf.

Nebenan hat Manon einen kleineren Raum eingerichtet, die Künstlergarderobe – sie stellt die Jugend dar. Auch hier ist ein Kleidungsstück zu finden, an der Wand hängt eine Zwangsjacke, die ebenfalls aus anderen Fotoserien bekannt ist. Man kann schon fast sehen, wie Manon auf einem der drei Stühle sitzt und sich im Licht der Garderobenspiegel schminkt, auch wenn der Raum menschenleer ist. Auf dem Schminktisch liegen rund ein Dutzend Pillen.

Die Inszenierung des eigenen Körpers

Die Verbindungen zu Manons Schaffen, ihrem Leben und den Herausforderungen, die sie bereits überwunden hat oder noch überwinden muss, sind deutlich. Doch was fehlt, ist Manon selber – die Inszenierung des eigenen Körpers, die man sonst von ihr kennt, ist in der Installation nirgends zu finden. Blickt man auf ihre bisherigen Werke zurück, verschwindet Manon selber je länger je mehr aus den Arbeiten. In «La dame au crâne rasé», eine ihrer ersten Fotoarbeiten, ist sie in jedem Bild zu sehen. Glatzköpfig, und doch sexy.

Weitere Werke zeigen die Wandlungsfähigkeit der Künstlerin: In «Elektrokardiogramm 303/304» ist Manon fast nackt, in «Die graue Wand oder 36 schlaflose Nächte» sieht man sie in den unterschiedlichsten Posen und Kleidern. Ab und an begleitet sie ihr Mann Sikander von Bhicknapahari auf ihren Bildern, beispielsweise in «Das Doppelzimmer» von 1982. Kurz danach folgt eine siebenjährige Pause – sie sei überlebenswichtig gewesen, wie Manon später sagt.

Nach ihrer Pause zeigt sich Manon wandelbarer und persönlicher denn je: In «Einst war sie Miss Rimini» legt sie ihre Angst vor dem Älterwerden ab und zeigt sich in dutzenden verschiedenen Varianten. In einem Bild ist die ehemalige «Miss Rimini» als elegante Dame zu finden, auf einem anderen glatzköpfig und tätowiert. Sie ist obdachlos oder krebskrank, Violinistin oder Domina.

Glamour trifft auf Coolness

Doch nach ihrer Rolle als Miss Rimini verschwindet Manon immer mehr aus ihren Bildern. Meist sind nur noch Nahaufnahmen ihres Gesichts oder einzelner Teile dessen abgebildet. Die Vergänglichkeit wird immer wichtiger. In ihrer Arbeit «Hotel Dolores», die in den Räumlichkeiten des Badener Bäderhotels entstanden ist, ist das besonders deutlich. Manon ist nur noch auf einzelnen Aufnahmen zu finden, im Vordergrund steht das verlassene Gebäude. Es sind Bilder aus dieser Reihe, die im unteren Stockwerk des Kunsthauses in Zofingen gezeigt werden. In der gesamten Ausstellung stammt nur ein Bild aus dem letzten Jahrtausend – mit dem glattrasierten Kopf erinnert es an die alte Manon.

Obwohl Manon in ihren neueren Werken und somit im Kunsthaus Zofingen weniger abgebildet ist als in älteren Arbeiten, mangelt es nicht an ihrer Präsenz. Seien es die schwarzen High Heels, die auf einem Bild mitten im Raum stehen, oder das Kleid, das nur noch vom Bügel getragen wird – Manon ist in jedem Raum der Ausstellung zu spüren. Mit ihrem Glamour, ihrer Aussergewöhnlichkeit, ihrer Coolness.

So wundert es auch kaum, dass ein Blick durch den Saal während der Eröffnungsrede zur Ausstellung zeigt: Mit dem dunkelrot geschminkten Mund, dem Schmunzeln im Gesicht und der Sonnenbrille, die sie trotz Dunkelheit trägt, ist Manon auch mit 79 Jahren die mit Abstand coolste Person im Raum.

Manon: Ausstellung bis 23. Februar 2020, öffentliche Führung am Sonntag, 1. Dezember, 14 Uhr, Kunsthaus Zofingen.