Oper
Tenorlegende Carreras: «Ich drücke Barcelona heute die Daumen»

Er fiebert im Fussballstadion in Berlin für Barça mit und singt bald in Solothurn: Tenorlegende José Carreras. Im Interview mit der «Nordwestschweiz» verrät er, welchen Carreras man in Erinnerung behalten soll.

Christian Berzins
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Von der Opernwelt geliebt: José Carreras.Frank Augstein/Keystone
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Bald nach dem Debüt 1970 in Barcelona wird José Carreras zum weltweit umschwärmten Tenor. Er spielte viele LP-Rezitals und Opern ein und wurde ein Lieblingssänger Herbert von Karajans.
Tenorlegende José Carreras
1991 sang Carreras beim Classic Openair Solothurn, das der Unternehmer und Opernfan Dino Arici damals gegründet hatte. Alsbald kamen 12 000 Menschen ans Festival.

Von der Opernwelt geliebt: José Carreras.Frank Augstein/Keystone

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Als Mitglied der «Drei Tenöre» wurde José Carreras 1990 weltberühmt, bereits zuvor hatte er sich neben Luciano Pavarotti und Placido Domingo in den Tenorhimmel gesungen. Carreras’ Leben wurde Mitte der 1980er-Jahre durch eine Leukämie-Erkrankung erschüttert. Nun eröffnet die 69-jährige Opernlegende die Solothurn Classics mit einem Benefinzkonzert zugunsten der Jose-Carreras Leukämie Stiftung.

Solothurn Classics: Drei Opernstars und Carreras

Die Solothurn Classics holen mit José Carreras nicht nur einen Star aus den Anfangszeiten des damaligen Classic Openairs Solothurn zurück, sondern bieten auch wie damals «nur» Liederabende und keine halbszenischen Opernaufführungen mehr. Doch neben Carreras singen drei weltberühmte, eher junge Künstler: Tenor-Gigolo Vittorio Grigolo, Bass-Star Ambrogio Maestri und der neue Tenorstern Lawrence Brownlee. Zudem gibt es ein Konzert mit jungen Sängern. Es gibt noch für alle Abende Karten – auch für Carreras.

Solothurn Classics 17. bis 21. Juni, mehr Infos finden Sie hier.

Jose Carreras, erinnern Sie sich an Solothurn, an Ihren Auftritt 1991?

Natürlich! Mein Gott, ist das lange her! Es war ein milder Sommerabend und ich erinnere mich an ein fantastisches Publikum. Das ist auch ein Grund, warum ich mich auf die Rückkehr nach Solothurn freue.

Ganz allgemein: Denken Sie gerne an die Vergangenheit?

Es war bisher eine wunderschöne Zeit – trotz meiner Erkrankung – und dafür bin ich dankbar. Vor allem, weil ich das machen kann und konnte, was mir am meisten bedeutet: Singen. Singen ist mein Leben. Ich lebe aber lieber im Heute. Jede Minute, jede Stunde ...

Zurück zu 1991: Damals sangen Sie nicht nur in Solothurn, sondern Sie hatten Ihre berühmteste Rolle übernommen, waren 1990 in Rom zusammen mit Luciano Pavarotti und Placido Domingo einer der «drei Tenöre» geworden. Wie wichtig war Ihnen diese Etikette persönlich?

Es war eine grossartige Zeit! Wir haben ja bei 4 Finali der Fussballweltmeisterschaften gesungen – in Rom, Los Angeles, Paris und Tokio! Unglaublich. Man sagte mir, dass jeweils über 2 Milliarden Menschen diese Konzerte im Fernsehen mitverfolgten! Und ich denke, dass wir damit doch einem grossen Publikum die Welt der klassischen Musik mit ihren grossartigen Melodien nähergebracht haben. Und wenn davon nur zehn Prozent später auch in eine Opernvorstellung gingen (ich hoffe, dass es mehr waren!), war das ein unglaublicher Erfolg für die Gattung Oper.

Wurden diese zwei Tenöre in diesen Jahren Ihre Freunde?

Absolut! Wir hatten viel Spass miteinander und wir haben so manche Pokerspiele absolviert. Und natürlich auch über Fussball geplaudert. Luciano war ja Juventus-Turin- Anhänger, Placido für Real Madrid und ich für den FC Barcelona ... Luciano, der leider schon verstorben ist, vermisse ich sehr. Placido treffe ich gerne immer wieder.

War man nicht auch Konkurrenten im «Kampf» um den Tenor-Thron?

Natürlich! Aber es war eine positive Konkurrenz. Jeder steigerte sich mit dem anderen. Keiner war auf den anderen in irgendeiner Weise neidisch. Es war eine tolle Harmonie zwischen uns.

Als Sie in den 1960er-Jahren studierten, gab es mit Corelli/del Monaco/Di Stefano auch die «drei Tenöre» – alles grosse Konkurrenten ... Welchen dieser 3 mochten Sie am meisten?

Ohne Zweifel: Giuseppe di Stefano!

Warum?

Diese Weichheit in der Stimme und dass er immer 100 Prozent Vollgas gab, er sang aus dem Herzen ...

War es für Ihre Ausbildung wichtig, die Legenden der Vergangenheit zu hören und zu kennen?

Absolut! Ich kann jedem jungen Sänger und jeder jungen Sängerin nur empfehlen, sich auch Aufnahmen von älteren Sängern anzuhören. Man soll nicht kopieren, aber lernen, was dieser oder jener so gemacht, so interpretiert hat. Das
ist spannend. Ich habe stundenlang Platten gehört.

Was könnten junge Sänger von Ihnen lernen?

Lernen? Das weiss ich nicht, aber eines ist klar: ohne Disziplin gibt es keine langen Karrieren. Talent ist ohnedies Voraussetzung.

Sie sind eine Legende geworden, einer von zehn Tenören, über die man noch in 50 Jahren sprechen wird. Welchen Carreras sollen wir in Erinnerung
behalten? Jenen, der mit Karajan «Don Carlo» sang, jenen, der nach der Krankheit Jose sang – oder jenen, der Mitglied der «drei Tenöre» war?

Vielleicht einen Menschen, der das Glück hatte in seinem Leben mit den besten Kollegen und Kolleginnen, den grössten Dirigenten und den besten Orchestern an den wichtigsten Opernhäusern der Welt und in den bedeutendsten Konzertsälen und Festivals auftreten zu dürfen. Wer, wie ich, das Glück hatte, 14 Jahre lang mit dem grossen Herbert von Karajan zusammenarbeiten zu dürfen, der muss nur dankbar sein.

Nervt Sie diese Aufteilung in vor der Krankheit, nach der Krankheit? Gibt es «nur» einen Carreras?

Was heisst nerven ... Es ist einfach so, dass es nur einen Carreras gibt – mit all seinen verschiedenen Facetten.

Ihnen wurde vorgeworfen, Sie hätten sich zu früh dramatischen Rollen angenähert – besagter Don Carlo mit Karajan etwa. Wie beurteilen Sie selbst
die Entwicklung Ihrer Stimme und was Sie damit gemacht haben?

Ich bereue nichts. Ich schätze mich einfach nur glücklich, dass ich all das erleben durfte!

Und im vorigen Jahr sind Sie nach Ihrem Abschied 2009 tatsächlich wieder auf die Opernbühne zurückgekehrt?

Ja, das war wunderbar! In der Oper «El Juez» (Der Richter) des österreichischen Komponisten Christian Kolonovits singe ich die Titelrolle. Es ist eine wunderbare Rolle, eine tolle Oper mit vielen schönen Melodien. In Januar dieses Jahres sang ich die Rolle zuletzt am Mariinsky Opernhaus in St. Petersburg. Und ich bin so froh, dass die Oper überall grandios ankommt.

Man schrieb von einer «triumphalen Rückkehr auf die Opernbühne»!

Es war natürlich auch ein wenig Risiko dabei, aber die Bravo-Rufe des Publikums haben mich glücklich gemacht. Es ist einfach wunderschön, in einer Oper auf der Bühne stehen zu dürfen. Ich liebe es, Konzerte zu geben, aber Oper ist noch eine ganz andere, grossartige Dimension. Oper ist einfach die kompletteste Kunstform.

Sie sind ein grosser Fussballfan. Wird Ihr Klub, der FC Barcelona, heute die Champions League gewinnen?

Ich werde in Berlin im Stadion sitzen und dem FC Barcelona die Daumen drücken.

In Solothurn geben Sie ein CharityKonzert zugunsten Ihrer Stiftung?

Neben meiner künstlerischen Tätigkeit füllt mich jene für die von mir vor mehr als 26 Jahren gegründete José-Carreras-Leukämiestiftung am meisten aus. Ich kann stolz sagen, dass wir in diesen Jahren grosse Fortschritte in der Behandlung der Krankheit, an der auch ich litt, gemacht haben. Bei Kindern gibt es bereits Heilungserfolg bis zu 70 Prozent. Aber der Kampf geht weiter – bis Leukämie heilbar wird, immer und für jeden und jede.

Was werden Sie am 17. Juni in Solothurn singen?

Ein gemischtes, sehr schönes Programm aus Oper, Operette und Lied. Ich hoffe sehr, dass diese musikalische Mischung dem Publikum gefällt. Es sind ja wunderschöne Melodien ...