Drei Jahre nach ihrem riesigen Erfolg kehren Lo (30) & Leduc (28) mit neuer Musik zurück. Ihre Themen sind ernster geworden.
Lo: Das hat was. Natürlich wird es enttäuschte Fans geben. Das kann man nach dem Erfolg von «Zucker fürs Volk» nicht verhindern. Wir sind aber nie mit dem Anspruch an das Album gegangen, es allen recht machen zu wollen. Und auch keineswegs mit jenem, dass wir genau gleich klingen wollen wie auf «Zucker fürs Volk». Wobei das, was damals passiert ist, schlussendlich wohl mehr mit Glück als mit den eigentlichen Songs zu tun hatte. Den grössten Druck machten wir uns selber.
Leduc: Nein. Es hat meiner Meinung nach auf «Ingwer und Ewig» auch Songs mit dem Potenzial, sich irgendwie zu verselbstständigen, wie das bei «Jung verdammt» passiert ist. Ich glaube, man kann weder bewusst einen Hit schreiben, noch kann man das bewusst vermeiden. Oder zumindest bei uns ist das so.
Lo: Super, wenn das so ankommt. Wir haben diesen Beat gehört und dann war rasch klar, dass wir so das Album eröffnen wollen. Auch wenn er musikalisch eher auf eine falsche Fährte lockt.
Leduc: Ich glaube übrigens, dass das einer der Songs ist, die manche etwas irritieren werden. Es werden da auch Vokaleffekte verwendet, die man etwa vom modernen amerikanischen Rap kennt. Da werden manche sagen: «Früher waren sie besser.»
Lo: Lustigerweise vor allem jene, die uns erst seit «Zucker fürs Volk» kennen.
Leduc: Um Himmels willen, bitte nicht. Sonst werde ich dann einmal ein zynischer alter Mann. Ich hoffe genau auf das Gegenteil.
Lo: Wenn sich etwas wirklich verändert hat seit dem letzten Album, ist es das Bewusstsein, dass wir mit unserer Musik viele Menschen erreichen. Entsprechend haben wir uns Gedanken gemacht, was wir denn mit unserer Musik vermitteln wollen. Wir schwingen auch weiterhin nicht grosse politische Reden, aber wir wollten Geschichten erzählen, die zum Nachdenken anregen.
Leduc: Sie können zum Nachdenken anregen, sie müssen aber nicht zwangsläufig. Es hat noch immer Passagen drauf, die vor allem aus Sprachwitz bestehen. Ich mag Songs, die allen etwas bieten. Jenen, die einfach Musik hören wollen, und auch jenen, die gerne etwas genauer hinhören.
Lo: Nein, das glaube ich nicht. Wir haben in letzter Zeit immer wieder Konzerte unter falschem Namen in kleinen Clubs gespielt. Das machte jeweils mindestens so viel Spass, wie auf den ganz grossen Bühnen zu stehen.
Leduc: Aber dass wir uns im Studio so lange Zeit nehmen konnten, ist natürlich ein Luxus. Für die Produktion konnten wir mit tollen und unglaublich talentierten Musikern zusammenarbeiten.
Lo: Und wir konnten sie angemessen bezahlen. Das ist in der Musik selten der Fall.
Lo: Ein schlechtes Gewissen habe ich nicht. Das ist mehr eine Dankbarkeit, dass wir Geld verdienen können, mit dem, was wir machen. Aber ich habe manchmal so lustige Momente, in denen ich über mich selber lachen muss. Da stehe ich auf einer 200-Quadratmeter-Bühne vor 10 000 Leuten zusammen mit 15 Profimusikern. Dann denke ich jeweils: «Ich kann ja eigentlich gar nichts.» Ich könnte knapp die Kabel einstecken. Trotzdem: Ich habe gerne Musik gemacht, als wir in kleinen Jugendzentren gespielt haben, und ich mache auch noch gerne Musik, wenn wir dann wieder in kleinen Jugendzentren spielen.
Leduc: Man muss auch realistisch sein. Wir werden nie mehr so viele Platten verkaufen wie bei «Zucker fürs Volk». Schon alleine, weil einfach nicht mehr so viele Menschen überhaupt noch Musik kaufen. Ich habe das Gefühl, dass wir weder auf die Bremse noch aufs Gas stehen. Beim letzten Album haben wir gelernt, dass man diese Mechanismen gar nicht gross steuern kann. Wenn der Erfolg kommt, dann kommt er.
Mit Beschwörungsgesängen und Trommelschlägen schleppt sich der Beat wuchtig vorwärts und tief-verzerrt hallt es «alles dreit uf de Stell – Karussell». Lo & Leduc starten ihre zweite reguläre Platte mit einem klassischen Intro. Das stampft und dampft. Und es blendet etwas. Denn was folgt, klingt klassischer nach Lo & Leduc. Poppiger Rap mit vielen Bläsern, der eher nach Karibik als nach Bern klingt. Textlich mäandrieren Lo & Leduc zwischen Themen wie Demenz und seichteren Gefilden. Das geht meistens gut. Und wenn sie die Geschichte eines traurigen Vampirs erzählen, ist das in seinen besten Momenten sogar richtig ergreifend. Man hört die Freude am Texten, ganz selten allerdings auch das Geknorze an selbigen. «Ingwer und Ewig» ist konsequenter, in sich geschlossener und facettenreicher als der Vorgänger. Nach dem wuchtigen Intro hätten wir uns aber manchmal gewünscht, das Monster hätte länger wüten dürfen. Michael Graber