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Der Zofinger Hausberg zeigte sich am Sonntag von seiner besten Seite. Ein volles Gelände, strahlender Sonnenschein und eine Stimmung, die einen den Montag glatt vergessen liess.
Bastian Baker bot den jungen Damen mit seinen schnulzigen Liedern die Gelegenheit, sich die Seele aus dem Leib zu kreischen, 77 Bombay Street die Chance, noch ein letztes Mal das Tanzbein zu schwingen. Unheilig, einer der Top-Acts dieses Jahres, liessen das 23. Heitere Open Air schliesslich ausklingen. Mit seinen sphärisch-besinnlichen Oden an die Liebe, aber auch den härteren Hymnen kreierte der Graf im schwarzen Anzug die perfekte musikalische Kulisse und Gänsehautmomente zum Abschied eines dreitägigen Festes, das durch Friedlichkeit, Vielfalt und ausgelassene Freude geprägt war. Und erst zum zweiten Mal in seiner Geschichte schon im Voraus komplett ausverkauft.
Nicht alles verlief aber so glatt, wie der Sonntag einen glauben machen wollte. Freitag und Samstag wurden von Absagen überschattet. Ausgerechnet zwei Frauen - die im Programm ohnehin knapp vertreten waren - liessen den Veranstalter im Stich. Jessie J musste «unvorhersehbaren Verpflichtungen in den USA» nachkommen, nachdem für die Britin schon letztes Jahr kurzfristig ein Ersatz gesucht werden musste.
Leider keine Frauenpower
Die andere Engländerin, Rita Ora, musste ihren Auftritt vom Sonntag krankheitsbedingt absagen. Somit wurde nichts aus der angekündigten Frauenpower auf dem Heitere. «Das tut natürlich weh», sagte ein sichtlich enttäuschter Christoph Bill, Cheforganisator des Open Airs, gestern Nachmittag. Die Nachricht von bandenmässigen Diebstählen auf dem Zeltplatz trübte seine Laune zusätzlich.
«Wir sind zufrieden, aber es war nicht sensationell», lautete dann auch sein nüchternes Fazit. Immerhin: Für die beiden Engländerinnen sprangen zwei Acts ein, über die sich besonders die Hip-Hop-Fans gefreut haben dürften: Mit den Old-School-Rappern von Public Enemy und Kendrick Lamar wurden kurzfristig zwei Leckerbissen des US-Raps auf die Lindenbühne gehievt.
Die gute Stimmung liess sich durch die schlechten Nachrichten sowieso niemand verderben. Auch wenn es nichts wirklich Neues zu hören gab beim diesjährigen Heitere; einige erquickende Ausnahmen hielt das Programm dennoch bereit. Für frischen Wind sorgten etwa Kraftklub, die eine eigenwillige Mischung aus Rock und Deutsch-Rap zelebrieren und am Samstagabend die Open-Air-Party so richtig ins Rollen brachten.
Frontmann Felix Brummer liess es sich nicht nehmen, kopfüber in die Menge zu hechten und hautnah mit den Fans zu feiern. Das waren Feuerwerk, mitreissende Bühnenpräsenz und fesche Seitenhiebe gegen das musikalische Establishment. Auch Shingai Shoniwa von den Noisettes, die dem Sonntag die weibliche Note gaben, begeisterte mit ihrer äusserst vielseitigen Stimme und soulig-funkiger Musik.
Ein Freiluft-Tollhaus
Altbekannt dagegen die Off-Beat-Rhythmen von Ska-P am Samstag. Es funktionierte trotzdem: Bei Sonnenuntergang wurde zu der schrillen Bühnenshow der Alt-Punker gehüpft, was das Zeug hielt. Ohrenbetäubend war der Lärmpegel der Fans anschliessend bei Casper, auch er gehörte zu den positiven Überraschungen. Der Rapper aus Deutschland verwandelte den Bereich vor der Parkbühne in ein Freiluft-Tollhaus, gab nicht auf, bis wirklich alle auf dem Gelände die Hände zum Himmel streckten.
Aus musikalischer Sicht gab es nur eine Enttäuschung: Empire of The Sun. Hinter der exzentrischen Bühnenshow des australischen Elektro-Pop-Duos mit viel Star-Trek-Ästhetik, Rauch und Lametta-Glanz verschanzten sich musikalische Belanglosigkeit und fehlende Interaktion mit dem Publikum. Gerade mal drei halbe Sätze brachte Sänger Luke Steele während des Auftritts über die geschminkten Lippen. Als Quittung ertönten zum Schluss vereinzelt Buh-Rufe, viele konsternierte Gesichter waren zu sehen. Nur kurz, bei ihrem Hit «We Are the People», kam doch noch etwas Stimmung auf.
Trotz Wermutstropfen war das Heitere Open Air 2012 wieder das, wofür es weitherum bekannt ist: Ein friedliches Fest in unvergleichlicher Umgebung. Welche Bands nächstes Jahr hoch über Zofingen spielen werden, weiss Christoph Bill noch nicht. Was er aber sagen kann, ist: «Wir bleiben der Vielfalt treu.»