Meine musikalische Sternstunde
Laute Töne, magische Hände und rumpelnde Trams

Die ehemalige Basler Regierungsrätin Barbara Schneider blickt auf über 30 Jahre persönliche Hörerlebnisse im Stadtcasino zurück.

Barbara Schneider*
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Die ehemalige Basler Regierungsrätin Barbara Schneider hat schon einige Konzert im Stadtcasino erlebt.

Die ehemalige Basler Regierungsrätin Barbara Schneider hat schon einige Konzert im Stadtcasino erlebt.

Martin Töngi

Ich habe eher ein visuelles Gedächtnis und erinnere mich weniger an den Klang als vielmehr an die Personen und die Atmosphäre in einem Konzert. Wann ich zum ersten Mal im Stadtcasino war, kann ich nicht genau sagen. Fest steht, dass ich sehr unterschiedliche Konzerte erlebt habe, bis hin zu einem Rockkonzert mit der amerikanischen Gruppe «Canned Heat».

Die Stühle waren für dieses Konzert herausgeräumt worden. Es war irrsinnig laut. Ich hatte lange Ohrensausen und wusste: Das ist definitiv nicht meine Musik. Später war ich öfter bei französischen Chansoniers wie Gilbert Bécaut oder Georges Moustaki. Diese Konzerte schienen mir dem Saal eher angemessen.

Seit den frühen 80er Jahren besuche ich die klassischen Konzerte und habe eine ganze Generation von Musikern erlebt. Der italienische Pianist Arturo Benedetti Michelangeli ist mir besonders in Erinnerung. Er kam, setzte sich an den Flügel, hielt seine Hände magisch über die Tasten und verharrte.

Dann verliess er plötzlich die Bühne. Niemand wusste, was geschah. Nach etwa zehn Minuten kamen die Bühnenarbeiter mit einem zweiten Flügel. Im Saal war es ganz still. Wieder setzte sich Michelangeli ans Instrument und hielt die Hände über die Tasten. Er versuchte wohl eine Verbindung zwischen Instrument, Raum und Programm herzustellen. Dann spielte er los.

Aber nicht nur die Musiker haben für Spannung gesorgt. Auch die Aussengeräusche gaben Grund zur Aufregung. Obwohl die Tramfahrer während der Konzerte die Anweisung hatten, langsamer zu fahren, hörte man oft in den unpassendsten Momenten die Trams vorbeirumpeln.

Als ich Vorsteherin des Baudepartments war, kam von privater Seite die Offerte, die Tramschienen mit einer Federung auszustatten, um die Geräusche zu eliminieren. Nach Abschluss der Bauarbeiten 2006 gab es eine Akustikprobe, bei der das Messgerät nichts mehr anzeigte.

Dann kam das erste grosse Konzert: Anne-Sophie Mutter spielte «Gesungene Zeit» von Wolfgang Riehm. Ein spannender Moment, denn das Stück beginnt sehr ruhig. Glücklicherweise blieben die Störgeräusche aus. Aber bei mir hat es gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte, nicht bei jedem Konzert die Angst zu verspüren: Jetzt kommt gleich wieder ein Tram!

Auch wenn ich mich nicht detailliert an alle Klänge erinnere, die Vorstellung, jemals mein Gehör einzubüssen und quasi in Stille zu versinken, wäre für mich schwer zu ertragen. Klang überträgt für mich einen Reichtum an Erleben und Emotionen, was ich nicht missen könnte.

*aufgezeichnet von Anja Wernicke