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Mit Jennifer Perez alias La Nefera ist erstmals eine Rapperin für den Basler Pop-Preis nominiert. Um das zu erreichen, musste sie sich in einer Männerdomäne durchsetzen.
Die grossen Namen am diesjährigen Open Air Basel spielten zwar auf der Hauptbühne des Kasernenareals. Die grösste Stimmung aber erlebte man vor einem Holzverschlag: Auf dieser kleinen Nebenbühne überbrückten lokale Acts die Soundchecks der internationalen Bands.
Hier versprühte eine Rapperin Feuer, sorgte mit ihrer Liveband für eine Euphorie, die man vor der Hauptbühne vermisst hatte. Das bunt gemischte Publikum hüpfte zu den Grooves, johlte zu den Melodien, feierte das Leben – und die Kraft der Musik. Originell schon nur die Besetzung: Sousafphon, Trompete, Schlagzeug, Stimme. Der Name der Formation, den man sich merken musste: La Nefera und Kaotik Trio.
Die Intensität des Auftritts hallte noch lange nach. Und die Stimme, sie fand auch bei jenem Komitee Gehör, das die Nominationen für den Basler Pop-Preis ausspricht. Zum ersten Mal überhaupt in der zehnjährigen Geschichte dieser Auszeichnung ist eine Rapperin im Rennen.
Völlig verdient. Denn wer La Nefera hört, staunt über ihre kraftvolle Präsenz, über ihre Energie und die messerscharfen Reime. Das Rhythmusgefühl führt bei ihr zurück, zum Ursprung, zum Tanz. Und damit in ihre alte Heimat.
Bis zu ihrem zehnten Lebensjahr lebte Jennifer Perez, wie sie bürgerlich heisst, in der Dominikanischen Republik. Ihre Mutter heiratete einen Schweizer, so führte sie auch ihr Weg in die Schweiz, nach Laufen.
Bereitete ihr der Umzug Mühe? «Nein, wir Kinder fanden es sehr toll. Wir kamen aus einer armen Gegend in ein Land, wo es wie selbstverständlich Spielplätze gab, Spielsachen – und Schnee!»
Was nicht heisst, dass ihr neues Leben nur zuckrig war. In der Schule fiel sie als Dunkelhäutige auf, musste Spott und Sprüche erdulden. Mit ihrem Stolz hielt sie dagegen, liess sich nicht unterkriegen. Und verbrachte mit ihrer Schwester und mit Freundinnen jede freie Minute auf der Strasse, um zu tanzen. Hip-Hop hatte es ihr angetan, die Kraft, das Selbstverständnis und die Tanzschritte, die sie in Videoclips wie jenen von Missy Elliott entdeckte, wirkten ermutigend und ansteckend.
Mit 16 begann sie ihre ersten eigenen Texte zu schreiben. Nicht als Jenny, das fand sie zu lieblich. Sondern als La Nefera. Ein Übername, der besser zu ihr passte, wie sie fand. Eine Anspielung auf die ägyptische Königin Nofretete.
Dies, nachdem sie bei den Reisen in die Dominikanische Republik festgestellt hatte, dass ihr die alte Heimat zunehmend fremder wurde. «Das löste in mir die Angst aus, dass ein Teil von mir verschwinden könnte», erzählt sie. Also schrieb sie gegen das Vergessen an, in Reimform, auf spanisch mit karibischem Akzent. «Ich wollte über die Sprache und die Musik meine Verbindung aufrecht halten», sagt sie. Die Liebe zur Insel Hispaniola beschreibt sie etwa im Stück «Quisqueya Bella».
Mit ihrem damaligen Freund rief sie als Teenagerin eine erste Crew ins Leben: Wortschatz Los Dados. Und landete 2008 unverhofft auf einer grossen Bühne. «Wir bewarben uns mit schäbigen Aufnahmen für einen Auftritt im Vorprogramm der Orishas», erinnert sie sich. Die kubanische Band dominierte damals den Latin-Hip-Hop und wählte aus den Einsendungen eigenhändig aus, welche Gruppe ihr Konzert im ausverkauften Zürcher X-tra eröffnen durfte. Wortschatz Los Dados erhielt den Zuschlag. Von Null auf Hundert.
Es folgte eine erste EP, danach verflüchtigte sich die Jungformation wieder, auch, weil Stimmen der Vernunft dazu mahnten, einer soliden Ausbildung mehr Raum zu geben. «Meine Mutter fand lange, dass Tanz und Musik zu viel Zeit in Anspruch nahmen, sie war besorgt um mich», sagt La Nefera. «Erst jetzt sieht sie langsam, dass meine Musik auch irgendwo hinführen kann.»
Nicht nur ihrer Mutter musste sie zeigen, dass es ihr ernst war. Auch dem männlich dominierten Hip-Hop-Milieu. Viele wollten sie anfänglich nicht ernst nehmen, in einem Fall verlangte ein Produzent gar eine sexuelle Gegenleistung für einen Beat. «Das hat mich sehr gekränkt», sagt sie. Doch sie gab nicht klein bei, gab nicht auf, auch wenn ihr einige Sexisten nahelegten, sie soll doch besser beim Tanz bleiben. «Manche konnten es nicht haben, dass eine Frau rappte. Aussagen wie diese bestärkten mich aber darin, weiter Musik zu machen. Ich sagte mir: Euch allen will ich es beweisen!»
Einen Schub erhielt sie 2013, beim Grossprojekt der regionalen Hip-Hop-Szene «1 City 1 Song». Bei dieser Gelegenheit lernte sie andere Frauen kennen, merkte, dass sie nicht die einzige Rapperin war. «Wir erkannten, dass es Handlungsbedarf gibt!», sagt sie, und fügt hinzu: «Mit einem soziokulturellen Studium ist man halt für so was sensibilisiert.» Um sich gegenseitig zu fördern und zu unterstützen, gründeten sie die Frauencrew Vybezbilder. 2016 dann veröffentlichte La Nefera ihr erstes eigenes Album, «A Lo Hecho Pecho», zeitgleich landete sie zufällig in einer weiteren Formation: Die Brass Band mit dem bemerkenswerten Namen «Error 404 - Band not found» fand in ihr die Rapperin, die sie lange gesucht hatte. Vor wenigen Tagen haben sie ihr Debüt getauft. Als sei all das nebst ihren laufenden Solo-Auftritten und jenen mit dem Kaotik Trio nicht genug der Aktivitäten, hat La Nefera kürzlich auch noch beim musikalischen Austauschprojekt «Basel – Ramallah» in der Kaserne mitgewirkt.
Und dabei managt sie sich noch immer selber. «Ich schreibe auch gerne Medienmitteilungen oder Konzepte. Wenn ich einen Sinn dahinter sehe, dann bin ich voll motiviert.»
Konzepte schreiben, das hat sie auch in ihrem Beruf als Kinder- und Jugendbeauftragte der Gemeinde Therwil gelernt. Diese Leitungsfunktion mit der Musik zu vereinen, sei im Moment zwar anspruchsvoll, gibt sie zu. Aber sie möchte auf keines verzichten. «Ich bin gerne der Boss», sagt sie, lacht, «jedenfalls lasse ich mich ungern aufhalten.» Man ahnt: Da kommt noch mehr.
Wer von den fünf Nominierten steht beim Basler Pop-Preis in der Gunst des Publikums? Die bz präsentiert das Voting und den Publikumspreis. Über das Onlineformular (unten) können Sie Ihre Stimme abgeben.