BAP
Kölsch-Rocker Wolfgang Niedecken denkt noch nicht ans aufhören: «Das Rentnerleben muss warten»

Als Niedeckens BAP stellt der Kölsch-Rocker seine Grossformation an der «Magic Night» auf dem Heitere in Zofingen vor.

Steffen Rüth
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Wolfgang Niedecken (68): «Ich gehöre zu jenen Musikern, denen man dabei zugucken kann, wie sie auf der Bühne alt werden.»

Wolfgang Niedecken (68): «Ich gehöre zu jenen Musikern, denen man dabei zugucken kann, wie sie auf der Bühne alt werden.»

Keystone

Trotz seiner 68 Jahre hat Wolfgang Niedecken noch lange nicht ausgerockt. Mit seiner Band BAP hat er vor 40 Jahren den Kölsch-Rock erfunden, doch Niedecken ist so aktiv wie eh und je. Das aktuellste Werk heisst «Live & Deutlich» und ein Jahr zuvor hat er seinen Familienmitgliedern das Solo-Album «Das Familienalbum – Reinrassije Stroossekööter» gewidmet. Auf den Heitere kommt er nun mit Niedeckens BAP, seiner neunköpfigen Formation mit einer grossen Bläsersektion. Mit dieser Grossformation spielt er nur an auserlesenen, besonderen Orten.

Wie wichtig ist Ihnen Familie?

Extrem wichtig. Ohne meine Familie wäre ich vermutlich verloren und zum Eigenbrötler geworden. Ich rufe ungern jemanden an, um mal vorbeizukommen, und auf die Idee, alleine in die Kneipe zu gehen, käme ich auch nicht. Ich gehe aber sehr gerne mit meiner Frau lecker essen, hinterher vielleicht noch was trinken. Auch unsere Töchter, die 23 und 25 Jahre alt sind, kommen dann oft mit. Das empfinde ich als grosse Ehre. Ich würde sogar sagen, wir sind die besten Freunde unserer Töchter.

Im Rentenalter zu sein hat auch Vorteile. Fühlen Sie sich manchmal wie ein Rentner?

Nein, überhaupt nicht. Der Gedanke ist total komisch für mich. Was würde ich als Rentner denn tun? Wenn man mir jetzt verböte, Gitarre zu spielen, dann würde ich halt malen oder schreiben. Es gibt tausend Sachen, die ich gerne mache. So lange ich es gesundheitlich und von der Kondition und Motivation her schaffe, muss das klassische Rentnerleben warten.

Verglichen mit Ihren Idolen wie den Rolling Stones oder Bob Dylan sind Sie ja auch noch ein junger Spund.

Das stimmt. Keith Richards sieht auch so langsam echt bedenklich aus, aber er wirkt immer noch so, als liebe er seinen Beruf. Er altert in Würde auf der Bühne. Und in meinem Alter gehört man nun mal zu den Musikern, denen man dabei zugucken kann, wie sie auf der Bühne alt werden.

Gibt es den «Chippendale-Desch», also den Chippendale-Tisch, noch, den Sie im gleichnamigen Lied besingen?

Ja. «Chippendale-Desch» ist das Danklied an meine Mutter, ich schrieb es in der Woche, nachdem sie gestorben war. Meine Mutter hatte Alzheimer. An diesem Tisch hat alles stattgefunden in unserer Familie, hier haben wir gegessen. Und hier spielte ich auf der Gitarre meines grossen Halbbruders so oft «House Of The Rising Sun», bis meine Mutter zu meinem Vater sagte: «Josef, ich glaube, der Junge braucht jetzt eine eigene Gitarre.» So kam es dann auch.

Wo steht der Tisch heute?

Bei mir im Arbeitszimmer. Er wird sehr geehrt, ich habe ihn immer in Sichtweite. Das Arbeitszimmer ist übrigens mein Lieblingsort bei uns im Haus. Besonders, wenn alle vier Kinder da sind, ist der Raum meine Oase. Wir leben direkt am Rhein, und wenn ich zur Ruhe kommen will, schaue ich einfach aus dem Fenster. Ich liebe den Rhein über alles.

Zählt Leonard Cohen neben Bob Dylan zu Ihren Helden?

Aber ja. Cohen hat durch Dylan überhaupt erst angefangen, seine Gedichte zu singen. Vorher war er Lyriker.

Fanden Sie es eigentlich in Ordnung, dass Bob Dylan seinen Literaturnobelpreis im vergangenen Jahr nicht persönlich in Empfang genommen hat?

Absolut. Preisverleihungen waren Dylan immer unangenehm, er ist tatsächlich schüchtern. Selbst als Barack Obama ihm den höchsten amerikanischen Kulturpreis verlieh, sagte Dylan kein Wort. Und Obama, der hinterher dazu befragt wurde: «Ich bin nur der Präsident der Vereinigten Staaten. Aber er ist Bob Dylan.» Ich verdanke dem Mann so viel. Er muss sich nicht einschleimen, wenn er das nicht möchte. Hauptsache, es geht ihm gut.

Sie engagieren sich seit Jahrzehnten gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus, zudem unterstützen Sie mit dem Projekt «Rebound» ehemalige Kindersoldaten im Ost-Kongo. Wie sehr verzweifeln Sie am weltweit aufkeimenden Populismus?

Ich muss mich immer wieder aufraffen und mir sagen «Gib diesen Arschgeigen nicht nach». Was ich lernen musste, ist, mit wie viel Hass manche Leute im Internet unterwegs sind. Wenn ich in den sozialen Medien etwas schreibe, setzen sich diese rechten Parasiten, die zu blöde sind, meinen Namen richtig zu schreiben, sofort da drauf. Anfangs dachte ich noch, als guter Demokrat muss ich das im Netz stehenlassen, aber das muss ich gar nicht. Ich lasse es nicht zu, dass jemand mein Schaufenster zumüllt. Dieser Dreck aus Richtung AfD und Konsorten, der wird gelöscht.

Macht ein Donald Trump Ihnen Angst?

Ja. Ich vertraue zwar auf das amerikanische System und hoffe, dass der Kongress es nicht zum Äussersten kommen lässt, aber der Kerl hat nun einmal die Gewalt über den roten Knopf. Wenn er abdrückt, wird ein grosser Teil Asiens nuklear verseucht sein. Meine Frau und ich waren in Indien, ich schrieb dort den Titelsong «Reinrassije Stroossekööter». Wir lebten in Zelten, und es war wirklich eine wunderbare Zeit. Aber selbst dort bekamen wir mit, wie die Regentschaft Obamas endete und dieser skrupellose Menschenverachter inthronisiert wurde. Das war so bitter, ich konnte selbst in Indien nicht loslassen.

Die reinrassigen Strassenköter, sind das wir alle?

Ja, natürlich. Der Begriff ist nur scheinbar ein Widerspruch. In Millionen von Jahren haben wir uns sehr gründlich vermischt.

Wie Kölsch ist Wolfgang Niedecken?

Sehr. Das steckt einfach in mir. Auf der Bühne sehe ich mich als Gastgeber. In der Hinsicht ähnele ich Springsteen, der auch mit den Leuten feiert. Wieso soll ich auf cool machen?

Was ist für Sie das Besondere am Kölner an sich?

Eine der grossen Stärken von uns Kölnern ist, dass wir selbst in den niederschmetterndsten Situationen noch mit Humor daherkommen, was auf jeden Fall besser ist, als zu verzweifeln. Ich bin sehr froh, dass ich in Köln meinen Heimathafen habe. Die Kölner sind gemütlich, sie schliessen und grenzen niemanden aus. Der Patriotismus des Kölners ist ein einladender. Trotz seiner 68 Jahre hat Wolfgang Niedecken noch lange nicht ausgerockt. Mit seiner Band BAP hat er vor 40 Jahren den Kölsch-Rock erfunden, doch Niedecken ist so aktiv wie eh und je. Das aktuellste Werk heisst «Live & Deutlich» und ein Jahr zuvor hat er seinen Familienmitgliedern das Solo-Album «Das Familienalbum – Reinrassije Stroossekööter» gewidmet. Auf den Heitere kommt er nun mit Niedeckens BAP, seiner neunköpfigen Formation mit einer grossen Bläsersektion. Mit dieser Grossformation spielt er nur an auserlesenen, besonderen Orten.