Elena Mosuc
Kampf der Sopranistinnen auf dem Hochseil

Die «Zürcherin» Elena Mosuc und die Deutsche Simone Kermes legen zwei unterschiedliche Belcanto-CDs vor. Ein Divenkampf mit ungleichen Voraussetzungen.

Christian Berzins
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Zweifelt Elena Mosuc daran, dass die Krone passt? Suzanne Schwiertz/Sony

Zweifelt Elena Mosuc daran, dass die Krone passt? Suzanne Schwiertz/Sony

Kann der Glaube wirklich Berge versetzen? In der Opernwelt hilft bisweilen auch die Geduld, um den Gipfel zu erreichen. Obwohl sehr früh mit Wettbewerbspreisen geehrt, dauerte es mit Elena Mosucs Karriereaufstieg ziemlich lange. Die Zürcher Opernfreunde kennen sie seit 1991. Lange war sie dort aber nur in der zweiten Reihe – und den Vergleich mit ihrer 18 Jahre älteren Fachkollegin Edita Gruberova musste die reifere der zwei Sopranistinnen nie fürchten ... Erst die partielle Loslösung vom goldenen Käfig Zürich brachte Selbstvertrauen und Triumphe – und als sich dann Edita Gruberova mit Alexander Pereira verkrachte und für 10 Jahre nicht mehr in Zürich sang, war Mosuc die erste Koloratursopranistin am Haus. Die Stimme war nun gereift, die Technik sowieso fabelhaft: Als Bühnenfigur gab Mosuc allerdings noch weniger her als die Gruberova. Egal: Mosuc sang nicht mehr nur in der Provinz, sondern bald in Mailand und Salzburg.

50 ist auch in der Oper das neue 40

Nun, endlich, liegt von der Rumänin auch eine CD vor, die ihre Paraderollen präsentiert. Und das tut Mosuc mit Verve. Die 50-Jährige bietet darauf Arien des Italieners Gaetano Donizetti (1797–1848), Koloraturhochseilakte noch und noch. Chor und Sinfonieorchester des Kroatischen Radios und Fernsehens spielen unter der Leitung von Ivo Lipanovic beherzt, begleiten in «Lucia di Lammermoor» die unglücklich Liebende tatsächlich auf einer Glasharmonika. Mosuc singt Partien, die seit den 50er- und 60er-Jahren von Maria Callas besetzt sind. Seit damals weinte Norma nie mehr so bittere Tränen. Doch die Schönheit kam zurück in der Form von Joan Sutherland, die Feier der Technik auf die Spitze trieb Edita Gruberova.

Elena Mosuc kann es mit den Legenden nicht aufnehmen, aber ihre Aufnahme ist dennoch bemerkenswert. Es gibt da Töne, die weniger gelingen, es gibt gewisse unnötige Eitelkeiten bei Schlusstönen zu hören. Mit der Weichheit, ihren Rosawolkentönen, treibt sie es bisweilen auf die Spitze – anders gesagt: Es fehlt an Aggressivität. Die dramatischen Gesten müssen vom Orchester kommen, Mosuc ist es vorbehalten, im Herzen zu weinen. Die Lust, mehr auszudrücken, als es die Stimme vermag, überwältigt sie bisweilen dennoch, wie etwa im berüchtigten «Il fantasma» in Lucias grosser Szene aus «Lucia di Lammermoor». Aber die Rumänin singt über die weitesten Strecken – und es sind unendlich himmlische Strecken! – mit so viel Instinkt und gesunder Selbstverliebtheit in ihre Hochseil-Kabinettstückchen, dass einem bisweilen der Atem stockt. Und vor allem: Ihr Timbre ist farbenreicher geworden, der Schimmer dunkler Rosen leuchtet aus diesem Klang.

Sopran-David

Immer an sich geglaubt hat auch Simone Kermes – und noch etwas mehr. Ein barocker Stimmwettkampf mit Cecilia Bartoli nahm dieser weibliche Sopran-David locker an und liess ihn dank ungestümen Engagements Unentschieden enden. Nun aber geht Simone Kermes zu weit, zu weit hat sie sich unter dem Titel «Bel Canto» von Monteverdi bis Verdi in ein Fach gewagt, das keine Kraftakte zulässt.

Dank dramaturgischem Geschick ist man anfänglich hingerissen von der Aufnahme, merkt erst später, dass man sich überrumpeln liess. Die Explosion ereignet sich dank Saverio Mercadantes Arie der Virginia aus der gleichnamigen Oper: eine ungeheure Wucht vor allem dank des begleitenden Concerto Köln. Die Ruhe selbst sollte die folgende Arie der Anna aus Maometto II sein – aber zu naiv klingen die Worte, jeder Ton ist blütenweiss. Und alsbald kommt es doch erneut zum Duell mit Bartoli – und aktuell mit Mosuc! –, hat doch auch die Italienerin Bellinis «Norma» eingespielt und gesungen. Kermes setzt der Arie nichts auf, singt sie in langen, schönen Bögen durch. Aber darin liegt ja die Schwierigkeit dieses so schwer definierbaren Bel Canto: Macht aus ewigsimplen Linien und Bögen grosse Kunst, lass dann das Blut in Wallung geraten! Es gelingt ihr nicht. Die Stimme ist blutleer, es fehlt ihr an Fundament – nicht nur in der Höhe. Die Intervallsprünge der kriegerischen Odabella in Verdis «Attila» gelingen beeindruckend. Dann aber zwitschert ein nettes Mädchen von Rache.

Elena Mosuc trägt nur im CD-Cover dick auf, lässt sich über die Schulter blicken, wenn sie den Lippenstift nachzieht und scheu die Krone aufsetzt . . . Simone Kermes inszeniert sich nicht bloss auf ihren Fotos spektakulär, nein, sie versucht das auch mit ihrer Stimme. Das macht eigenartigerweise vielen Eindruck.

Simone Kermes, Bel Canto – from Monteverdi to Verdi, Concerto Köln, Sony 2013 HHIII

Elena Mosuc, Donizetti Heroines, Sony 2013 HHHHI