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Francine Jordi singt auch auf ihrem neuen Album von Liebe und heiler Welt. Ihr hat es selbst gutgetan, in diese abzutauchen während ihres schwierigsten Lebensjahrs.
In Schwarz, die Haare brünett, erwartet eine sichtlich erwachsener gewordene Francine Jordi die «Schweiz am Wochenende» zum Gespräch. Doch als sie einem die Hand schüttelt, blitzen die Augen spitzbübisch, und auf dem Gesicht macht sich ein Strahlen breit, wie nur Francine Jordi strahlen kann.
Francine Jordi: Nein! Wenn es im Zusammenhang mit Strahlen und Lachen und Gute-Laune-Verbreiten ist, langweilt es mich überhaupt nicht. Nur: Es war eigentlich gar nie weg.
Ich habe während des ganzen Jahrs gestrahlt. Ich habe auch meine Konzerte gegeben und alle Termine durchgezogen, wie sie geplant waren vor der Diagnose. Zum Glück konnte ich das. Überhaupt, dass mein Körper das durchgestanden hat, auf der Bühne zu stehen trotz Chemotherapie und trotz Bestrahlung. Da hat man guten Grund zum Strahlen.
Francine Jordi wurde 1977 in Worb-Richigen (Kanton Bern) geboren. Schon als Kind trat sie mit ihrer Familie singend an Festen auf. Sie studierte klassischen Gesang und Klavier in Neuchâtel. Mit Zwanzig bestand sie die Vorprüfung zur Militärpilotin, gewann aber gleichzeitig den internationalen Grand Prix der Volksmusik – der Startschuss für ihre internationale Karriere im volkstümlichen Schlager. Die Sängerin war 2009–
2011 mit dem Radsportler Tony Rominger verheiratet und anschliessend mit Mundartsänger Florian Ast liiert. Der gemeinsame Titel «Träne» brachte ihnen in der Schweiz eine Platin-Schallplatte ein. Im April 2018 kommunizierte Jordi, sie sei 2017 an Brustkrebs erkrankt, mittlerweile aber geheilt. Heute erscheint das neue Album der Sängerin: «Noch lange nicht genug» (Phonag Records).
Weil ich die Menschen nicht anlügen wollte und mich nicht rechtfertigen wollte dafür, dass ich die Haare jetzt kurz trage. Das Anlügen wäre dann sofort gekommen. Und darum habe ich eine Pressemitteilung geschrieben.
Doch, Angst kommt schon vor. Aber Ärzte und Medizin haben mit der Schlager-Branche nicht wirklich was zu tun.
Nein, überhaupt nicht. Schlager ist eine positive Welt, die sehr viel von Sehnsüchten erzählt. Sehr viel von Liebe spricht. Auch von den Harmonien her ist es eine sehr fröhliche, positive Musik.
Wenn Menschen von einem Schlagerkonzert nach Hause gehen, habe ich selten jemanden Schlechtgelauntes gesehen. Man geht positiver weg, als man hingegangen ist. Das ist das Schöne an dieser Musik. In genau diese Welt konnte ich auch abtauchen bei meinen Konzerten. Einfach einen Moment lang nur in dieser Welt leben. Und danach ging es wieder – müde, aber sehr gut gelaunt und voller Freude und Dankbarkeit, dass ich das überhaupt machen konnte – in die Woche rein.
Wenn ich das öffentlich gemacht hätte, wäre ein Riesentheater losgegangen. Es ist nicht authentischer, auf die Bühne zu stehen und zu sagen, ich bin krank und singe trotzdem. Weil ich es in diesem Moment total genossen habe, dort zu stehen. Sonst hätte ich das ja nicht gemacht.
Überhaupt nicht. Ich wollte mich ganz egoistisch auf mich und mein Gesundwerden konzentrieren können. Weil das eine Situation ist, die jeder mit sich selber ausmachen muss. Und mir war wichtig, dass auch ich diese Chance habe.
Ich wollte in dieser Situation nichts mehr machen, um den anderen noch etwas Gutes zu tun, oder auf andere Rücksicht nehmen.
Nicht davor. Sondern ich war schon in Chemotherapie, aber bevor sie ausfielen, habe ich sie abgeschnitten. Das war für mich auch eine psychologische Sache. Dann ist der Schock weniger gross. Obwohl man nicht von einem Schock sprechen kann, weil man ja weiss, dass einem die Haare ausfallen.
Ich habe entschieden, wann ich die Haare abschneide und ab wann ich mich mit Perücke bewege. Für mich war das gut so, und diese frühzeitige Planung gehörte für mich als Vorbereitung zur Therapie dazu. Auch: Wie schminke ich mich; Perücke aussuchen; Farbe auswählen; die ganze Vorbereitung mit der Perücke; Wimpern kleben lernen. Das sind alles Sachen, die mir geholfen haben, mich vorzubereiten.
Nein, weil die Krankheit in einem sehr frühen Stadium war und die Ärzte mir so gute Heilungschancen prognostizierten.
Auch dann nicht.
Ich schob das nicht weg, ich konzentrierte mich auf das Gesundwerden. Nicht auf Eventualitäten.
Ich habe mich schon immer aufs Positive konzentriert. Darum wollte ich auch die Nebenwirkungen der Therapie nicht wissen. Weil ich mich nicht mit solchen Bildern belasten wollte. Ich war dankbar, dass es eine Chemotherapie gab. Nicht: Jetzt muss ich das machen.
Nein.
Auch nicht.
Ich bin einfach ein positiver Mensch. Das ist das, was sehr viele Medienleute in den letzten 20 Jahren von mir nicht verstanden haben. Sie dachten, ich spiele das vor. Ich sei nicht so positiv. Aber ich bin es.
Das kann ich Ihnen nicht sagen.
Vielen Dank. Manche sagen, es passt besser zu meinem Charakter, es ist pfiffiger. Meine natürliche Haarfarbe ist braun und da war das naheliegend, dass ich das jetzt etwas dunkler fahre.
Im Showbusiness ist das meistens so. Im Scheinwerferlicht sehen die Haare ungefärbt nicht so strahlend aus. Darum färben die meisten die Haare. Und für mich passt das jetzt gerade gut mit dem Dunkelbraun. Wie es in einem Jahr ist, weiss niemand. Aber jetzt geniesse ich das sehr, bin auch in zwei Minuten fertig mit meiner Frisur – inklusive Föhnen. Was will man mehr?
Ich glaube eher: Man guckt so in die Welt, wie man sich fühlt. Es gibt positive und negative Spuren.
Falten dürfen sein. Und ich habe ja auch welche; die habe ich mir selbst hart erarbeitet.
Man weiss nie, was in zehn Jahren ist. Aber im Moment wäre ich zu feige, irgendwas dagegen zu unternehmen. Ich akzeptiere sie, sie sind Zeichen meines Lebens. Ich finde, man darf sehen, dass ich nicht mehr zwanzig bin.
Ich glaube nicht. Andrea Berg ist schon einiges drüber. Da ist Vicky Leandros, Nana Mouskouri, in Österreich Simone. Meine Güte! Es gibt unendlich Frauen, die noch immer auf der Bühne stehen und Spass haben und einen tollen Job machen.
Das sind ja nicht ihre Lieder! Wenn man mit 50 immer noch die Susanna in «Figaro» spielen soll, sieht das sehr komisch aus. Man muss Rollen nehmen, die dem Alter entsprechen. Aber hier geht es um meine Lieder, es geht um Liebe. Und ich hoffe sehr, dass ich bis zum Schluss meines Lebens lieben werde und von dieser Liebe auch singen werde. Egal, ob das eine Liebe zwischen Partnern ist oder zwischen Freunden und Familie.
Das kann ich nicht allgemein sagen, es sind immer kleine Geschichten, die man erzählt. Jetzt gerade sind das mehr Lieder, wo Frauen gemeinsam etwas unternehmen, wie «Die perfekte Nacht», wo Frauen miteinander einen coolen Abend verbringen. Aber auf dem letzten Album hatte ich sogar einen Titel «Alles auf Rosarot». Zuerst dachte ich: Ich bitte euch! Wirklich! Alles auf Rosarot, und das mit fast vierzig. Wie soll ich das rüberbringen? Bis mein Manager kam und sagte: Ich habe eine Nachbarin, die ist 67. Sie hat sich gerade frisch verliebt und mir erzählt, sie sehe alles rosarot. Da habe ich gedacht, also dann kann ich das mit 40 noch locker singen. Liebe interessiert kein Alter.
Man kann beides gut oder beides schlecht machen. Beides mit Freude, Liebe und Leidenschaft oder einfach, weil es ein Job ist. Da hat es viele Gemeinsamkeiten. Und: Beides kann die Leute wirklich begeistern. Aber die Technik ist ganz anders. Die klassische Technik mit der Kopfstimme, der Bruststimme und der Mischstimme ist anders als die im Schlager.
Da versucht man, die Bruststimme nach oben zu ziehen und bis in die Höhe noch mit der Bruststimme zu singen. Aber ich habe immer noch das Gefühl, dass mein Körper mit Klassik am schnellsten in Schwung kommt. Klassik ist mein Muskelaufbau-Training, wenn ich mich auf Auftritte vorbereite.
Ja, für die ganze Zwischenrippenmuskulatur. Und wenn man die Klassik beherrscht, kann man davon alles ableiten.
Wenn man Céline Dion sieht, die hat auch eine total klassische Ausbildung, aber die Stilistik der Klassik nimmt sie nicht mit in ihre Songs. Ich mache das auch nicht. Die Technik habe ich vom klassischen, aber die Stilistik nehme ich nicht hinüber in den Schlager. Man nimmt ja umgekehrt auch die Schlager-Stilistik nicht mit ins Klassische.
Ich liebe es, Mundart zu singen. Das Lied «Üses Läbe» habe ich von Georg Schlunegger schreiben lassen für meine Eltern.
Das ist genau die Situation meiner Eltern: Im Sommer, wenn es Abend wird, setzen sie sich auf den Balkon, jeder ein Glas Wein, zünden eine Kerze an, und dann wird der Tag besprochen. Was man erlebt hat, auch, was einen bewegt. Und das nach über 45 Ehejahren! Das ist unglaublich schön, dass sie nicht einfach sagen: Ach, den kenne ich doch. Sondern immer wieder neue Seiten entdecken wollen am Gegenüber und sich von ihm überraschen lassen. Sie sind auch so dankbar und genügsam.
Ja, das habe ich bestimmt von ihnen mitgekriegt.
... und jetzt, schreib mal was! Genau.
Keine Ahnung! Aber «Schwerelos» ist ein Lied, das gut zu meiner Situation passt. Dass man einander hilft, wenn es jemandem schlecht geht. Damit es ihm wieder gut geht. Das ist der Titel, der meine Situation sehr gut beschreibt. Oder eben halt schon: «Da geht noch mehr». Dass ich jetzt noch viel mehr den Moment geniesse – das habe ich zwar schon immer getan, aber jetzt mache ich das noch bewusster.