Lucerne Festival
Gladiatoren und Champagnerpianisten am Lucerne Festival

Debütanten, Stars, Orchesterkonzerte und Barpianisten: Beim Lucerne Festival «Am Piano» gibts dieser Tage Konzertefür jedes Portemonnaie.

Christian Berzins
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Lise de la Salle im KKL.

Lise de la Salle im KKL.

Priska Kettere/Lucerne Festival

Kulturfreunde spotten jeden Sommer gerne über das versnobte Luzerner Festivalpublikum. Unter den zahlreichen Gästen gibt es nun mal nicht nur Musikprofessoren. Schlimm? Die Spötter sollten während des Pianofestivals in rauen Novembertagen mal in die Lukaskirche sitzen, wo man, Regenmantel und Skijacken in die Kirchenbank gedrückt, für 30 Franken junge Top-Pianisten erleben kann. Die Konzentration in den «Debüt»-Konzerten ist enorm. Und die Reaktion beziehungsweise die Urteile sind völlig anders geartet als der stereotype KKL-Sommerjubel.

Pavel Kolesnikov – wir hatten diesen Namen vorher noch nie gehört und mussten ihn nun auch gleich nochmals nachschlagen, um ihn korrekt zu schreiben – musste sich seinen Triumph beim Publikum erst erspielen.

In Mozarts c-Moll-Fantasie stimmte alles. Brillant war das abgestimmt, selbst die so heiklen Bass-Gewalten klangen äusserst klug, nie dumpf. Aber leider war Kolesnikovs Lust, dieses Werk wirklich zu spielen und sich daran zu erfreuen, nicht zu spüren. Chopins Mazurken blitzten alsbald hochgescheit und waren fein ausgeleuchtet. Doch die Freude daran, diesen Tönen eine Träne zu entlocken, fehlte.

Die Noblesse des Debütanten

Dann aber spielte der 26-jährige Russe Robert Schumanns C-Dur-Fantasie op. 17 und entwarf ein wuchtiges Gemälde voller Farben, Abgründe und Schönheiten. Da war sehr viel mehr als «bloss» eine stupende Technik zu erkennen, da war sehr viel mehr als «bloss» Gefühlsschilderung zu hören.

Seine Noblesse bewies er in der Zugabe. Nur ein Pianist von diesem Kaliber hat den Mut, bei einem Debüt ein schlichtstilles Werk wie Schuberts Allegretto D915 zu hauchen.

Vielleicht ist der Russe aus Nowosibirsk einer jener Debütanten, die Jahre nach dem Auftritt in der Lukaskirche ins KKL dürfen, hinein in den Riesensaal, wo ein Pianist wie ein Gladiator in der Manege aussieht: Ein einsamer Kämpfer, der bis zu 3600 Ohren überzeugen muss.

Die 27-jährige Lise de la Salle spielte 2008 in der Lukaskirche – am Mittwochabend nun bereits zum zweiten Mal anlässlich des Pianofestivals im KKL. Und dort zeigte sie eindrücklich, wie sehr sie zur grossen Künstlerin gereift ist.

Maurice Ravels «Gaspard de la nuit» erzählt die Französin mit jedem erdenklichen rhetorischen Gestaltungsmittel. So entsteht eine Magie, das Zuhören wird selbst im KKL zum intimen Akt. In ausgewählten Préludes von Claude Debussy war dieses Malen der Klänge fast noch schöner zu hören, in Johannes Brahms’ Variationen über ein Thema von Händel gewann es wieder eine erfrischende Bodenhaftigkeit.

Stars und Sternchen bis Sonntag

De la Salle war auch vor sieben Jahren nicht unbekannt, als sie in der intimen, aber auch spröden Lukaskirche spielte. Genauso wenig wie Olga Scheps, die dort am Freitag debütiert. Sie ist gar schon so berühmt, dass sie sich mit Haut und Haar für den Verkauf teurer Uhren einsetzt und auch bei einem Auftritt bei Stefan Raabs «TV total» glänzen konnte. Am Abend dann gibts ein Orchesterkonzert im KKL mit Angela Hewitt als Solistin, Samstag und Sonntag folgen die Stars Jean-Ives Thibaudet und Maurizio Pollini.

Nicht zu vergessen die acht Barpianisten, die zwischen Hotel Montana und See-Bar vor und nach den Konzerten auftreten: Klänge so nebensächlich und vergänglich wie die Blasen im Champagnerglas.

Lucerne Festival «Am Piano»: Bis 29. 11. Karten: www.lucernefestival.ch