Pop
From Kid: Patschifig, aber reif für die Hitparade

Das eindrucksvolle Debütalbum des Churer Newcomer-Duos From Kid ist der jüngste Beweis für Graubündens lebendige und vielseitige Musikszene.

Renzo Wellinger
Drucken
Das Duo From Kid: Andrin Berchtold (l.) und Gian Reto Camenisch.

Das Duo From Kid: Andrin Berchtold (l.) und Gian Reto Camenisch.

YANIK BUERKLI

Hinter den sieben Bergen ist das Leben «patschifig» – gemütlich, gemächlich. Was nicht heisst, dass Graubünden in Sachen Popkultur nichts zu bieten hat. Jüngstes Beispiel: das Duo From Kid. Gitarrist Andrin Berchtold und Synthie-Frickler Gian Reto Camenisch sind die spannendsten und vielversprechendsten Schweizer Newcomer des noch jungen Jahres. Ihr Debütalbum «You Can Have All The Wonders» ist diese Woche auf Platz 6 der Schweizer Albumhitparade eingestiegen. From Kid spielen einen melancholischen Singer/Songwriter-Sound, der Folk und Pop mit dezenten elektronischen Spielereien kombiniert. Das prickelnde, professionell produzierte Debütalbum könnte durchaus von einer skandinavischen Band stammen.

Graubünden verfügt über eine vielfältige Musikszene, welche die Mehrsprachigkeit des Kantons widerspiegelt – von der rätoromanischen Gesangsgruppe Furbaz über den Italo-Rapper Cigi und die Ska-Band Nguru bis hin zum Pop-Produzenten Lou Geniuz. Während der Nullerjahre prägten vor allem Hip-Hop-Bands das Bild von Musik «Made in Graubünden». Sektion Kuchikäschtli war 2004 die erste Band, die mit Mundart-Rap und dem Album «Nur so am Rand» Gold-Status erreichte. Es folgten Gimma, Breitbild und die Oschtblock Kuabuaba. Die meist cleveren, witzigen Texte und der schweizweit beliebte Dialekt haben zum Erfolg beigetragen. Auch die erste rätoromanische Rap-Combo, Liricas Analas, knackte die Top 10 der Schweizer Hitparade.

Frische Sounds

Jetzt macht sich eine Generation junger Bündner Künstler bemerkbar und liefert frische Sounds. Neben From Kid setzen auch die Avantgarde-Rockband Plasma und die Sursilvanerin Ursina mit englischen und romanischen Folksongs neue Akzente. Dazu sind Newcomer wie Rapper Ali und das Produzenten-Team Anemonen Entertainment daran, den Hip-Hop zu erneuern.

Graubünden als neuer Hotspot auf der Schweizer Pop-Landkarte? Immer schön patschifig!

Der Bergkanton wird wohl auch in Zukunft eher coole Ferien-Destination als heisser Pop-Lieferant bleiben. «Graubünden ist nicht gerade der progressivste Kanton, wenn es um Kulturförderung geht», meint Roman Flepp von der rätoromanischen Hip-Hop-Band Liricas Analas. Es fehle ein übergreifendes Konzept. Die Förderung junger Musiker sei ausbaufähig, findet auch Norbert Cavegn vom Open Air Lumnezia, Graubündens grösstem Festival. Deshalb werden die Organisatoren gemeinsam mit der Migros-Projekt Startrampe dieses Jahr den Bündner und Ostschweizer Nachwuchs durch einen zusätzlichen Festivaltag fördern.

Ist es für Bündner Künstler schwieriger, sich über die Kantonsgrenzen hinaus einen Namen zu machen? Nein, sind sich Branchenkenner einig. Gemäss Jean Zuber von Swiss Music Export müssen die Musiker bereit sein, zu reisen und ihre Musik sowohl im «Unterland» als auch im Ausland zu promoten. Rapper Gimma, der derzeit an seinem ersten Buch schreibt, fügt hinzu: «Es bedarf vielleicht etwas mehr Zeit, um Künstler ohne Ballungszentrum oder Grossstadt schweizweit zu platzieren.»

«Sich in Graubünden einen Namen zu machen, kann für junge Bands schon schwierig sein, da es sehr wenig Konzertmöglichkeiten gibt», weiss Andrin Berchtold von From Kid zu berichten. In anderen Kantonen sind das Netzwerk an Musikern und die Infrastruktur mit Labels und Konzertveranstaltern zwar grösser, doch die Überschaubarkeit der Bündner Szene hat auch einen Vorteil: Man kennt sich, unterstützt sich gegenseitig. «Wir gehen uns hier genreübergreifend eher zur Hand als an die Gurgel», so Gimma.

Bündnerbonus?

Gibt es einen «Bündnerbonus»? «Der spielt immer ein wenig mit», grinst Rapper Flepp. «Aber am Ende entscheiden die Musik und die Performance.» Bündner Künstler seien oft sehr authentisch und würden nicht jedem Trend hinterherrennen, meint From- Kid-Manager Romano Zoppi. «Oft ist es auch deren Bescheidenheit und Zurückhaltung, mit welcher sie an Sympathie gewinnen.» Patschifig eben – genau wie die beiden bärtigen Burschen von From Kid.
From Kid «You Can Have All The Wonders». Sonic Service/Sony Music.