Interview mit der Musikerin Brittney Denise Parks alias Sudan Archives. Sie tritt morgen Donnerstag im Wenkenpark Riehen auf.
Eine Electro-Musikerin, die Geige spielt, das ist nicht gerade alltäglich. Wie haben Sie zu Ihrem Instrument gefunden?
Brittney Denise Parks: Ganz am Anfang spielte ich im Schulorchester und in der Kirche klassische Musik. Aber vieles habe ich mir auf der Geige auch selbst nach Gehör beigebracht. Ausserdem habe ich mich einem Kurs angeschlossen, wo wir irische Tänze spielten. Aber zu diesem Zeitpunkt fing ich schon an, auf meinem iPad mit Musikprogrammen zu experimentieren und mischte die Geige mit elektronischer Musik.
Da in Ihrem Künstlernamen «Sudan» auftaucht, nehme ich an, dass die Fiedeln von dort Sie am meisten inspiriert haben?
Ich bin nicht nur von sudanesischen Fiedeln beeinflusst, sondern auch von westafrikanischen Geigern. Sie spielen alle diese einsaitigen Fiedeln, bei denen sowohl die Saiten als auch die Haare des Bogens aus Pferdehaar gemacht sind. Irgendwie klingen die zum einen sanfter als eine europäische Violine, gleichzeitig aber auch rau, kratzig, das mag ich sehr. Das Wort «sudan» in meinem Namen ist einfach ein Symbol für all diese afrikanischen Fiedelstile.
Wie sind Sie denn überhaupt auf die afrikanische Musik aufmerksam geworden?
Tatsächlich habe ich die in Hollywood entdeckt. Da war ich in einem Plattenladen und bin auf eine Platte des kamerunischen Geigers Francis Bebey gestossen. Der ist zwar kein Geiger, er spielt die Kalimba, das afrikanische Daumenklavier und andere Instrumente. Seine grossartige Kombination aus Electronics, westafrikanischen Instrumenten und Stimme war ein ganz wichtiger Einfluss für mich. Aber Bebey ist auch ein Musikethnologe. In seinem Buch über afrikanische Musik schreibt er über alle afrikanischen Saiteninstrumente, und dieses Buch wurde für mich der Ausgangspunkt für meine eigenen Ausflüge ins afrikanisch getönte Fiedelspiel.
Erklären Sie doch mal, wie Sie Ihre Sounds genau kombinieren.
Ich spiele eine Goje, das ist eine Haussa-Fiedel, eine sehr alte Vorform der Violine mit nur einer Saite, aus einer Kalebasse gemacht, über die Haut gezogen wird. Ich habe ausserdem zwei elektronische Geigen, eine davon ist mit MIDI-Technologie ausgestattet, das gibt mir die Möglichkeit, auf 900 Sounds zurückzugreifen, die keine Geigensounds sind, Saxofone, Synthesizer oder ganze Drumsets. An die normale E-Geige kann ich Gitarrenpedale anschliessen, den Wahwah-Effekt zum Beispiel. Denn ich bin auch inspiriert von Jimi Hendrix’ Gitarrenspiel. Wenn ich die Loopstation auf der Bühne einsetze, versuche ich, mit meiner Geige wie eine hart gespielte Gitarre zu klingen.
Ihre Musik klingt frisch, ungewohnt und laut, sie hat nichts Museales. Trotzdem haben Sie als zweiten Teil Ihres Künstlernamens «archives» gewählt.
Ich habe kein Radio und lade mir auch keine Sachen von iTunes runter, ich höre eher Musik aus ethnologischen Archiven. Also dachte ich, dass ich das im Namen verwende, denn das ist meine wichtigste Quelle. Ausserdem ist es eine Metapher dafür, tief in sich selbst zu graben. Jemand hat über mich geschrieben: Sudan Archives Musik ist auf moderne Weise die Geschichte der Schwarzen – das mag ich, wenn die Leute ihre eigenen Erklärungen zu meiner Musik finden.
Ein wichtiger Teil Ihrer Arbeit ist visuell, den es gibt zu vielen Stücken sehr fantasievolle Video-Clips, manchmal sehr archaisch, manchmal erinnern sie an einen Blaxploitation-Movie. Würden Sie sich also eher als visual artist denn als Songwriterin bezeichnen?
Ja, das ist tatsächlich so. Ich fühle mich als visuelle Künstlerin, die zufällig auch mit Instrumenten herumalbert und versucht, Songs zu machen. Immer mehr finde ich heraus, wie ich meine visuellen Ideen umsetzen kann, und die Regisseure verstehen mich besser, wenn ich mit meinen Ideen ankomme. In Zukunft möchte ich auch Regie für andere Künstler führen, die ihre Kunst visuell erweitern möchten. Das ist meine grösste Leidenschaft.
Bisher haben Sie noch kein vollständiges Album veröffentlicht, erst ein paar EPs mit Stücken, die manchmal kaum zwei Minuten lang sind. Würden Sie die überhaupt als Songs bezeichnen, oder eher als Miniaturen?
Ich schreibe auf eine sehr poetische Art und Weise. Wenn ich keine Geigerin wäre, würde ich wahrscheinlich auf einer offenen Bühne Gedichte rezitieren. «Haiku» wäre wahrscheinlich der richtige Ausdruck für meine Songs, denn sie sind wie diese japanische poetische Kurzform: eine einfache Phrase, ein Kommentar und viel Raum. Sie sind wie Samen. Und wenn dann das Album kommen wird, dann wird das ein Garten sein, mit Bäumen, Obst und Gemüse!