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Das Schweizer Fernsehen SRF widmet dem Basler Jazzmusiker und Komponisten Olivier Truan ein überaus gelungenes Porträt.
Es war ein Coup, wie ihn nur wenige Schweizer Musiker jemals in ihrem Künstlerleben zu Stande bringen: 2013 hatte die Klezmer-Band Kolsimcha das Konzept für ein Album mit grossem Sinfonieorchester in der Tasche. Aber die vorgesehene Kooperation konnte nicht realisiert werden.
Da fasste sich Olivier Truan, musikalischer Kopf der Band, ein Herz und rief nicht bei irgendeinem Orchester an, das bereitwillig ein solches Projekt umgesetzt hätte. Nein, Truan wählte die Nummer des renommierten London Symphony Orchestra, das schon seit vielen Jahrzehnten mit musikalischen Kooperationen über die Stilgrenzen der Klassik hinweg für Aufsehen gesorgt hatte. Legendär etwa die «Classic Rock»-Serien aus den 70er- und 80er-Jahren, in denen das Orchester grosse Rock-Hits in ein sinfonisches Klanggewand kleidete und damit weltweit in die Hitparaden vorstiess.
Und Truan hatte Glück: Beim Londoner Orchester war ein Slot für ein solches Projekt frei. Unter der Bedingung, dass die kleine Basler Band die Finanzierung sicherstellte. Zudem konnte ein Studio in der berühmten Abbey Road gemietet werden. Die Idee war geboren, jetzt fehlte «nur» noch die Finanzierung: Umgerechnet 80000 Franken kostete das musikalische Abenteuer. Mittels Crowdfunding und der Solidarität der Kolsimcha-Fans brachte Truan die Summe tatsächlich zusammen.
Den Baslern wohl noch näher ist eine andere Erfolgsgeschichte von Olivier Truan. Verschiedene Ballettmusiken hatte der am berühmten Berklee College in Boston ausgebildete Musiker schon auf den Weg gebracht, unter anderem auch für Joachim Schlömer am Theater Basel.
Am leuchtendsten unter seinen Arbeiten aber wurde das grosse Handlungsballett «Tewje», das der aktuelle Basler Ballettchef Richard Wherlock 2015 choreografierte. Tewje – der Milchmann aus dem ukrainischen Stetl und die Wirren um seine heiratsfähigen Töchter, die auch aus dem Musical «Anatevka oder Fiddler on the roof» bekannt sind – wurde eines der Zugpferde des Basler Balletts, das bis nach Israel auf Tournee ging. Es figuriert aktuell noch immer im Spielplan, die nächsten Vorstellungen sind ab Ende Januar geplant.
Die Musik ist beeinflusst von Jazz und freier Improvisation.
(Quelle: Olivier Truan, Musiker und Komponist)
Die poetisch-nachdenkliche bis überaus witzige Choreografie an der Grenze zum Slapstick von Richard Wherlock traf den Geschmack des Publikums, vor allem aber überzeugte die Musik von Olivier Truan: «Das grösste Ereignis ist die Musik», fand damals die «TagesWoche». Die Kombination von Klezmerband und Sinfonieorchester erwies sich als überaus tragfähig. «Die Musik ist beeinflusst von Jazz und freier Improvisation, soweit das möglich ist mit Ballett», sagt Truan dazu. «Aber auch Einflüsse aus dem gesamten Balkanraum und dem vorderen Orient finden sich darin, wo sich die Spuren der jüdischen Kultur und Musik niedergeschlagen haben.»
Diesem Basler Musiker und Komponisten hat SRF nun in seiner «Sternstunde»-Reihe ein sehr schönes, ungekünsteltes und bisweilen lakonisches Porträt gewidmet, das zum Charakter Truans sehr gut passt, und das noch bis 15.Dezember in der Mediathek abrufbar ist. Regisseurin Dagmar Elke verbrachte viele Stunden mit Olivier Truan, begleitete ihn unaufdringlich – auch mit fix installierten Kameras an seinem Arbeitsplatz – an die Orte, an denen er lebt, und an die Plätze und Situationen, aus denen sich Inspirationsquellen für seine kompositorische Arbeit ergeben. Viele Gespräche, manche auch sehr nachdenklich, hat Elke unter die Filmbilder gelegt und so ein ruhiges Porträt geschaffen, das einen Musiker nicht nur von seiner ganz persönlichen Seite zeigt, sondern auch Einblicke erlaubt in die nicht so glamourösen Situationen in einem Künstlerleben.
Zum Beispiel, wenn der grosse Auftrag für eine abendfüllende Ballettmusik, in die schon viel Zeit und Gedankenarbeit investiert wurde, sich plötzlich in Luft auflöst. Oder wenn die Zeit drängt, die Musiker und Produzenten auf die nächsten Songs warten, sich aber einfach nichts Rechtes an Ideen und Inspirationen einstellen will. Oder wenn die Unwägbarkeiten des Konzertbetriebs dazu führen, dass um ein Haar eine grosse Uraufführung ins Wasser fällt.
Immerhin, in dieser Frage gab es ein Happy End: Es klappte dann doch an jenem Februartag 2020 im ostdeutschen Chemnitz, als die «Spanish Suite» von Olivier Truan für grosses Sinfonieorchester und Klezmerband vor einem begeisterten Publikum zum ersten Mal erklingen konnte.
«Truan komponiert», abrufbar bis 15.Dezember 2020 in der SRF-Mediathek unter «Sternstunde: Musik».