Die Wahlbaslerin Annie Goodchild tauft heute Abend ihre neue EP «Meditative Mouthfuls» im Parterre.
Sie bereichert seit fünf Jahren die Basler Musikszene: Annie Goodchild. Eine Sängerin mit verwinkelter Biografie, was sich auch in ihrer eklektischen Musik offenbart. Man hört, dass sie rumgekommen ist in ihrem bisherigen Leben, dass sie wie ein Schwamm Eindrücke und Einflüsse aufgesogen hat, was sich in ihrer Stimme und ihren Songs niederschlägt.
Die Latina ist in einem irisch-amerikanischen Haushalt in Boston aufgewachsen. Ihre Mutter brachte ihr Jazz und Klassik näher. Dass die Musik ihre Bestimmung war, zeichnete sich schon in der High School ab. Annie Goodchild – der Name ist ein Pseudonym – spielte Klavier und sang in Gospelchören. Die 200 anderen Sängerinnen und Sänger wirkten dabei wie ein Schutzschild, wie sie sich erinnert: «Der Gedanke, alleine zu singen, paralysierte mich.» Nicht einmal vor ihrer Familie traute sie sich zu singen, weshalb die Musik jahrelang eine heimliche Obsession blieb.
Mit dem Teenage kam der Drang auszubrechen und loszuziehen: Per Anhalter durch die weite Welt. Goodchild suchte das Abenteuer – und auch sich selber, landete in Guatemala und dort eines Nachts in einer Tequila-Bar. Die Klänge von Pink Floyd hatten sie angelockt, einer Band, der sie eine Zeit lang verfallen war. Der Zufall wollte es, dass in der Bar gerade ein Open-mic-Anlass anstand, eine Gitarre die Runde machte und mit dieser die Aufforderung, zu singen.
Als die Gäste Annie pushten, starb sie einerseits einen kleinen Tod – andererseits half der Tequila, ihre Selbstzweifel zu überwinden: Sie exponierte sich vor einem Publikum. «Es war furchtbar. Aber im Nachhinein auch wunderbar. Ich zupfte Akkorde, sang ein Tracy-Chapman-Lied und erhielt gleich darauf mein erstes Engagement. Da wusste ich: Jetzt brauche ich eine Band.»
Mit einem anderen Backpacker flog sie Hals über Kopf nach Europa, um ihr Leben ganz der Musik zu widmen. Daraus entstand ihr erstes Bandprojekt: Melou, mit dem sie rumtingelte und in besetzten Häusern nächtigte. Zwischendurch kehrte sie nach Boston zurück, um am renommierten Berklee College Gesang zu studieren. Das Intermezzo war von kurzer Dauer. Ihre Gesangsschule, so die Erkenntnis, sollte das Leben sein.
Dieses stellte sie mit Mitte Zwanzig vor eine Prüfung, genauer gesagt führte es sie an eine Audition: Sie nahm in New York an einem Casting teil und wurde festes Ensemblemitglied in einem Stück der Theatercompany Punchdrunk.
«Sleep No More» spielte in einem fiktiven Hotel mit zahlreichen Räumen, wurde 2011 zur Theatersensation in New York. «Meine Rolle war es, in einer Bar der 30er-Jahre zu singen. Ich liebte es», sagt Goodchild.
Nach zwei Jahren traf sie eine andere Liebe zu einem Mann, einem Schweizer. Sie quittierte den Job und landete in Basel.
Zu grösserer Popularität verhalf Annie Goodchild aber nicht die Bühne, sondern das Internet: «Postmodern Jukebox» heisst ein Projekt von US-Musikern, die Pop-Hits in ein Retrokleid stecken. Annie Goodchild sang 2015 mit ihnen «Roar» von Katy Perry, was auf Youtube 3,5 Millionen Mal angeschaut wurde. Seither widmet sie sich ihrer eigenen Musik, begleitet von Gabriel Wyss (Gitarre), Theo Evers (Bass), Phillip Gut (Schlagzeug), David Cogliatti (Keyboards) und Anna Vogt (Backing Vocals).
So wie Goodchild im Leben nicht einen einfachen, linearen Weg gewählt hat, so klingen auch ihre Lieder: Mit ihrem beseelten Timbre mäandert sie auf ihrer neuen EP «Meditative Mouthfuls» durch faszinierende Klangwelten, ohne sich den klassischen Popstrukturen unterwerfen zu wollen: Da greifen organische und elektronische Einflüsse ineinander, da trifft schwebender Pop auf tanzbaren R&B.
Beginnt «Golden Trees» in dunkler Melancholie, so lässt im Refrain ein Bolero grüssen, während Goodchilds Stimme in träumerische Sphären aufsteigt. Gerne auch schlägt sie innerhalb eines Songs eine neue Richtung ein, in «Please Me» etwa zweigt die Band vom saftigen Funk in einen spacigen Tribal-Part ab.
Was die Songs eint, sind die leidenschaftlichen, hinreissenden Gesänge. Aus kommerzieller Sicht mögen diese zu verspielt, die schwer greifbare Heterogenität nachteilhaft sein. Musikalisch aber sorgt genau dieser Eklektizismus für faszinierend-vielschichtige Abwechslung.
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Annie Goodchild «Meditative Mouthfuls», Radicalis Music. EP-Taufe Parterre, Basel. Freitag, 19. Oktober, 20.30 Uhr. Support: Linda Vogel.