Elvis Presley
Den King im Blut, die Gang im Schlepp und Yvette von Rorschach auf dem Sozius

Heute wäre Elvis Presley 80 Jahre alt. Er starb 1977, mit nur 42 Jahren. Gleichwohl hält sich verschwörerisch das Gerücht: Elvis lebt! In gewisser Weise trifft das sogar zu – dank zahlloser Doppelgänger und Imitatoren.

Max Dohner
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Marc Durrer tut gerade der Rücken weh. Er steht vor zwei Auftritten am Wochenende. Fürs Bild lässt er darum Vorsicht walten bei Verrenkungen des King. Haar und Augenbrauen wären blond. Durrer färbte sie schwarz – nicht wegen Elvis, sagt er, einfach der Veränderung wegen.
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Er zweifelt am gnadenlosen Kopieren: «Da fehlt am Schluss irgendwas. Es wird steril.» Peter «Pesche» Müller aus Uetendorf im Berner Oberland sass neben seiner Grossmutter, als Elvis bei ihm einschlug: Hound Dog, Getto, Hüften – Grossmutter schüttelte den Kopf.
Zu Besuch bei drei Elvis-Imitatoren

Marc Durrer tut gerade der Rücken weh. Er steht vor zwei Auftritten am Wochenende. Fürs Bild lässt er darum Vorsicht walten bei Verrenkungen des King. Haar und Augenbrauen wären blond. Durrer färbte sie schwarz – nicht wegen Elvis, sagt er, einfach der Veränderung wegen.

Chris Iseli

«Calling Elvis – is there anybody home?» Ist im Geist von Elvis irgendjemand zu Hause? So fragen wir, in Anlehnung an einen Song der Dire Straits. Tappen von Tür zu Tür eines Quartiers aus Normfamilienhäusern. Kaltes Dunkel, höllisch früh. Kaum wagen wir, irgendwo zu läuten.

Die Tür geht auf, gelbwarm flutet Licht in Eisnebel – mittendrin steht er, leibhaftig: Elvis! Fast wie bei «Crying in the Chapel».

Die Ouvertüre: René Wettstein

Renelvis ist zeitig aufgestanden. Renelvis – Künstlername von René Wettstein (46) aus Wohlen AG. Dem Alter Ego im Hobby ist er verpflichtet, noch vor der täglichen Büez als Heizungslogistiker. So viel Schweiz muss sein, zumal als dreifacher Familienvater: Man kalkuliert das Risiko, ob man hundert Pro Elvis geben soll, setzt nicht blind auf Show.

Renelvis rockt die Nacht mit «All shook up», folgt untertags aber nicht dem Motto des R ’n’ Roll: «Ride hard, die free!». Das Justieren dazwischen schildert Wettstein so: «Ich vermeide sture Shows. Ich versuche, das Publikum so weit zu bringen, wie es mit Elvis hätte sein können.»

Natürlich nimmt Wettstein das Vorbild ernst; er bewundert Elvis auch als Mensch. Er verfolge keinen fanatischen Purismus – sagen wir: einen seriösen. Er kaufte CDs mit Original-Background-Sound, eine kostspielige Investition. Seine Elvis-Kluft bezieht er vom amerikanischen Label B&K, das angeblich schon Elvis’ Original-Kostüme schneiderte. Die Teile und überraschend schweren Gürtel schreien geschmacklich zum Himmel, sind aber zertifiziert. Klobige Ringe steckt sich Wettstein nach eigener Vorliebe assortiert an die Finger. «Das Wichtigste», sagt er, «ist ohnehin die Stimme.»

Als Conférencier genoss Wettstein schon lokalen Bühnenruhm, als er an einem Abend mal als Elvis-Clown Kopf und Riesenkragen riskierte. Als Imitator ist man unweigerlich auch Parodist, also Komiker. Zu seiner Überraschung war der Clown sofort weggeblasen und Renelvis geboren. Im folgenden Jahr wurde er damit gar zum «Best of Turnerabend». Darin festigte sich Wettstein stetig, inzwischen seit achtzehn Jahren. «Nie habe ich ein Elendsgefühl», sagt er, «ohne Renelvis würde mir entschieden etwas fehlen.»

Part I: Peter «Pesche» Müller

So sehr sich alle drei Gedanken machen zu ihrer Doppelrolle – er ist unter ihnen wohl der Nachdenklichste: Peter Müller (47) aus Uetendorf BE, genannt Pesche. Auch er Logistiker von Beruf wie Wettstein, seit 27 Jahren in der gleichen Firma. Und genauso lange Elvis. Müller kann präzis erzählen, wann der Blitz einschlug. Ein wenig klingts nach Damaskus-Erlebnis; die Ironie nimmt er uns nicht übel.

An jenem Tag sass der achtjährige Peterli in Heimenschwand mit seiner Grossmutter vor dem Fernseher. Das Dorf war getränkt von Ländler und Jodel, selten schwamm ein Schlager mit. Und Grossmutter hatte Jahrgang 1899. Sie schüttelte den Kopf über das, was sie sah. Gerade wurde Elvis beerdigt. Und danach Elvis rauf und runter georgelt: Hound Dog! Getto! Hüften! Peter standen Mund und Herz offen. So sprang Elvis’ Dibbuk auf einen Berner Giel über und begann am Tag der Beisetzung in Memphis im fernen Heimenschwand zu leben.

«Sing mal Country-Roads wie John Denver, nicht als King», rügte der Lehrer in der Schule. Sogar Schlager von Howard Carpendale verwandelte der Giel in Elvis. «Hätte ich damals gewusst», sagt Pesche, «dass Carpendale selber Elvis-Imitator gewesen war, wäre ich rehabilitiert gewesen.» Einen Vorteil zog er indes aus Heimenschwand – Pesche nennt es «das Bodenständige». Heute sein Markenzeichen, vielleicht Schlüssel seines Erfolgs.

Müller sieht keinen Sinn darin, Elvis gnadenlos zu kopieren, royalistischer als der King. «Am Schluss fehlt irgendwas», sagt er, «es wird steril.» Ein Schatten-Elvis auferstehe erst «durch Eigenes». Im Fall Müllers durch Berndeutsch. Durch eingestreute Anekdoten, «die von nah besehen gar nicht immer stimmen müssen». Keine Toleranz gebe es allein bei der Stimme.

Part II: Marc Durrer

Stimme! Das nennt auch der mehrfache Schweizer Meister als Grundbedingung für Imitatoren: Marc Durrer (49) aus Sursee LU, Vater einer Tochter, von Beruf Vorsorgeberater. Bei so viel Absicherung: Sorgt der «wilde» King da für Ausgleich? Durrer lacht – auch er ist kein Fall für Küchenpsychologie. Zu locker sitzt er da, zu entspannt sieht er seinen Nebenjob, ohne jedoch die Sache leichtfertig anzugehen. Elvis muss keine seelische Unterversorgung stopfen, Elvis bereichere im Gegenteil die Rollenmöglichkeiten des Einzelnen, sagt Durrer. Weiter muss man gar nicht rätseln. Am Todestag von Elvis hörte Durrer Radio und bettelte bei Mama: «Platte kaufen!» Früh zeigte sich eine Verwandtschaft in der Stimme («Ich komme allerdings ein bisschen tiefer runter als er»). Schnell zeigte sich, dass es funktioniert mit dem Wagnis, den Typ mal vor anderen Leuten zu geben. Also blieb man drauf. Der Rest gilt für alle wie bei Elvis: «A Fool such as I».

Das Requiem: «Cliff»

Einen Elvis suchten wir vergebens: «Cliff» aus Winterthur ZH. «Cliff» hiess er zu den besten Zeiten. Als Halbstarker befehligte er eine Töffgang, bevor es hier die «Hell’s Angels» gab: die «White Kings». Er hatte ein Boxbrevet und auf dem Sozius das schönste Mädchen: Yvette von Rorschach. Dann kam der lange Niedergang, die gewöhnliche Tristesse. «Cliff» wurde Abwart und musste Strolchen im Block sagen, wie man Velos im Ständer versorgt.

Über all das half nur Elvis. «Cliff» zeigte uns sein Aloha-from-Hawaii-Kostüm im Ikea-Schrank. Dazu sang er «It’s now or never». Das war vor fünfzehn Jahren. Aus «now» ist offenkundig «never» geworden.