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Alles wieder bestens. Dave Grohl hat sich von seinem Beinbruch erholt. Auf dem neuen Album «Concrete And Gold» wandelt der Frontmann der Foo Fighters auf den Spuren der Beatles.
Das Hauptquartier der Foo Fighters, Studio 606, ist von aussen ein unauffälliger Zweckbau in Northridge, einem Viertel im Norden von Los Angeles. Drinnen wird es deutlich imposanter. Ein geräumiger Aufenthaltsraum, Flipperkästen, weiterer Spielkram und ein prächtig grosses Aufnahmestudio machen deutlich, dass hier eine der erfolgreichsten Rockbands der Welt residiert. Der 48-jährige Dave Grohl, Sänger, Gitarrist und Chef der ganzen Unternehmung, hat schon mit Kurt Cobain und Nirvana Rockgeschichte geschrieben, damals noch am Schlagzeug. Inzwischen trägt er Brille und wird nicht ohne Grund als «nettester Mann im Rock ’n’ Roll» bezeichnet.
Dave Grohl: Nein, zum Glück nicht. Alles ist wieder gut verheilt. Aber meine Fresse, das war harte Arbeit. Ich habe jeden Tag drei bis vier Stunden Physiotherapie gemacht, die Muskeln waren total verkümmert. Mein Arzt meinte, wenn ich mache, was er sage, dann würde ich wieder rennen, Fussball spielen und hinterm Schlagzeug sitzen können. Wenn nicht, würde ich für den Rest meines Lebens am Stock gehen. Das hat mir mächtig Angst gemacht. Also habe ich meinen Körper so lange gequält, bis er wieder wie gewohnt funktionierte.
Wir haben tatsächlich einen Ball dabei, wenn wir unterwegs sind. Aber glauben Sie ja nicht, dass das schön aussieht. Früher war ich immer nur Goalie. Im Feld wollten sie mich nicht.
Ja, der Thron ist wieder da. Er steht hier nebenan in einem Lagerraum. Man weiss ja nie ... aber ich hoffe, ich muss ihn so schnell nicht wieder dort rausholen.
Dass ich etwas weniger Bauch habe, ist das Verdienst der Festivals, die wir in diesem Sommer gespielt haben. Abend für Abend drei Stunden laufen und schreien am Stück, du glaubst gar nicht, wie fit das macht. Liveshows, so anstrengend sie sind, bringen meine Lebensgeister zurück. Wenn ich eine Weile nichts mache, fühle ich mich, als würde ich mich in Zementschuhen durch den Tag schleppen. Am glücklichsten und ausgeglichensten bin ich, wenn ich richtig viel Action habe. Deshalb ist es so schwer für uns, Pausen zu machen.
Nein. Als ich sagte, wir wollten eine Weile nichts machen, war ich kreativ wie leergefegt. Doch nach sechs Monaten kam die Inspiration ziemlich heftig zurück. Ich setzte mich hin und schrieb. So entstand der Song «Run». Am Anfang konnte ich noch nicht absehen, ob ein Album daraus entsteht, ich trainierte einfach meine kreativen Muskeln. Aber die Dinge nahmen sehr schnell Form an und ich spürte: Das wird ein richtiges Album.
So ungefähr, ja. Die Fluttore hatten sich geöffnet, und ich wusste, ich kann und will das nicht zurückhalten. Es ist eine knifflige Entscheidung, die Band zusammenzutrommeln. Denn wenn du die grosse Maschine erst einmal anschmeisst, dann gibt es kein Zurück mehr, dann gerät alles in Bewegung und du musst aus dem Weg gehen, sonst wirst du überrannt. Deshalb haben wir das Album in aller Heimlichkeit aufgenommen, ohne Druck und Erwartungen von aussen. Erst als es fertig war, haben wir den Leuten davon erzählt.
Ein Soulsänger säuselt über einer sanften akustischen Gitarre. Hm … das muss die falsche CD sein … päng! Nach 27 Sekunden fallen die Gitarren krachend ein, und Dave Grohl singt intensiv und hymnisch. Wir sind zurück im Foo-Fighters-Universum.
Der Opener hat programmatischen Charakter. «Concrete And Gold», das siebte Album der 1994 gegründeten Band, ist ein Album der Gegensätze. Grohl & Co. spielen mit Dynamik und loten dabei die Extreme aus. «Run», die erste Single, verfährt ähnlich: Der Song beginnt sanft und lieblich und steigert sich zu einem krachenden und schreienden Rockmonster, das sich durch etliche Rhythmuswechsel kämpft.
Auch «Dirty Water» beginnt in beschwingtem Soft-Rock, mündet aber in einen Steigerungslauf, der dem Hörer die Ohren wackeln lässt. Hochenergetischer Rock Marke Foo Fighters.
Aber wir habens schon lange geahnt. Dave Grohl ist nicht nur der harte Rock-Rabauke. Er hat auch eine weiche, sanfte, harmonische Seite. In seinen fliessenden Melodielinien hat er bisher seine Liebe zu den 60er- und 70er-Jahren und vor allem zu den Beatles und Beach Boys immer nur angedeutet. Auf «Concrete and Gold» lebt er sie nun aus.
«Happy Ever After» ist «Blackbird» nachempfunden, gespickt mit melodischen und harmonischen Wendungen der Beatles. Und oha, Ober-Beatle Paul McCartney höchstpersönlich sitzt am Schlagzeug.
Weiteres Markenzeichen von «Concrete And Gold» sind die Chorgesänge, die auf harte Rockriffs prallen. Unterstützt werden die Foo Fighters hier von Superstar Justin Timberlake, dem Soulsänger Shawn Stockman von Boyz II Men und Alison Mosshart von The Kills. Paradestücke sind «Make It Right», «Dirty Water» und «The Sky Is A Neighborhood». Beatles und die Beach Boys hätten es nicht besser machen können.
Grohl & Co. erweitern auf «Concrete And Gold» ihren Horizont. Im Titelstück ist etwa auch Pink Floyd hörbar. Und doch bleiben sie typisch Foo Fighters. Stefan Künzli
Meine Mum ist viel mehr Rock ’n’ Roll als ich. Sie hat diesen Geist wirklich inhaliert. Ich habe es echt genossen und geliebt, mit ihr diese Buchpräsentationen zu absolvieren. Die Veranstalter in den Buchläden meinten, «Schafft ihr beiden es wohl, 45 Minuten miteinander zu reden?» Und wir nur: «Logisch, das machen wir seit 48 Jahren.»
Teils, teils. Selbst als ich in meiner Jugend Death Metal hörte, sagte meine süsse, konservative Mutter niemals «Um Gottes willen, nein». Mum verstand, dass ich meine eigene musikalische Identität finden musste. Aber wir hatten auch gemeinsame Favoriten. Ich erinnere mich, wie ich in den Siebzigern bei meiner Mum im Auto sass und wir Radio hörten. Das war das goldene Zeitalter von Melodien und echten Songs. Carly Simon, 10cc, die Beatles sowieso. Das war die Musik, in die ich mich zuerst verliebte. Ich weiss noch, wie Mum und ich «You’re So Vain» von Carly Simon im Duett sangen, ich war sechs oder sieben Jahre alt.
Er liebt es. Paul und ich unterhalten uns vor allem über das Songschreiben, er geht ähnlich vor wie ich und hat vergleichbare Prioritäten.
Die Melodie muss stimmen. Der Krach ist leicht, du kannst leicht eine der lautesten Bands der Welt sein, das bringt uns auch grossen Spass, aber besonders anspruchsvoll ist es nicht, Lärm zu machen. Die wahre Kunst und die echte Herausforderung steckt in der Melodie. Als Kind war ich der grösste Beatles-Fan, wegen der Beatles lernte ich Gitarre, ihre Platten waren meine Musikschule. Durch die Beatles habe ich gelernt, singbare Songs zu schreiben, die den Hörer emotional berühren.
Das ist immer unser Ziel. Einige meiner liebsten Bands sind jahrzehntelang einem sehr konstanten Sound treu geblieben, Motörhead und AC/DC zum Beispiel, und ich liebe sie dafür, immer ihr Ding gemacht zu haben. Mit mir und den Foo Fighters verhält es sich anders. Für uns fühlt es sich immer so an, als gäbe es noch neues Terrain zu erobern.
Als Band bleibst du lebendig, wenn du experimentierst. Wir wussten früh, dass wir uns stilistisch breit aufstellen und so ein weites musikalisches Feld bespielen wollten.
Als ich Greg kennen lernte, wusste ich das gar nicht. Ich war ein Fan seiner Band The Bird and the Bee, wir unterhielten uns über Musik und die grosse Bandbreite an Stilen, die wir lieben. Greg hat Jazz studiert, hat aber auch schon Punk gemacht. Seine Band macht wunderbaren Soft-Rock und luftigen Seventies-Pop. Das Album sollte die Extreme ausloten: die weiche, harmonische sowie die harte, dissonante, dunkle Richtung. Irgendwas zwischen Beach Boys, Bee Gees, Queen und Slayer. Für mich sind die Vocal-Harmonien besonders toll gelungen.
Ich bin Justin und Shawn auf dem Parkplatz des Studios begegnet. Bei Shawn habe ich gefragt, bei Justin war es so, dass er fast schon gedrängelt hat (lacht). Nach ein paar Whiskeys am letzten Abend im Studio hat er dann abgeliefert.
Für die Mädchen bin ich Dad. Kein Rockstar, sondern der ungekämmte Typ, der zu Hause mit am Tisch sitzt und zu viel durchgehen lässt. Violet liebt Die Antwoord, Stevie Wonder und Adele, Harper hört am liebsten Queen und Imagine Dragons. Und sie kennen erstaunlich viel Classic Rock. Neulich sangen sie plötzlich mit, als im Auto Van Halen lief. In Animationsfilmen für Kinder wird nämlich total viel Rock aus den Achtzigern eingesetzt. Sie kannten den Song aus «Shrek».
Ich suche noch. Der Song handelt von meinem Leben nach der Band. Ich stelle mir vor, einen Ort gefunden zu haben, an dem ich auch ohne die Foo Fighters zufrieden bin.
Natürlich. Nach jeder Platte denke ich, es könnte die letzte gewesen sein. Aber ich habe nicht vor, die Foo Fighters zu beerdigen, absolut nicht. Vieles macht mir heute noch mehr Spass als vor 22 Jahren, als wir anfingen.
Konzerte. Wenn 100 000 Leute vor dir stehen und einen deiner Songs mitsingen, ist das verdammt noch mal und immer noch das geilste Gefühl der Welt. Einfach wunderschön.
Glück. Wenn so viele Menschen auf einem Haufen sich auf eine bestimmte Textzeile, eine bestimmte Melodie verständigen können, dann gibt mir das ausserdem Hoffnung für die Welt. Ein Konzert verbindet, es grenzt nicht aus, es führt zusammen, es trennt nicht. Das ist für mich ein wichtiges Symbol. Gerade in einer Zeit wie dieser, wo es so viele dunkle Ablenkungen gibt.
Auch wenn es wie ein Griff in den Klischeekasten wirkt: Die Idee des Silberstreifens am Horizont war immer ein wichtiger Teil unserer Songs. Ich lese jeden Tag die «New York Times» und die «Washington Post», ich gucke CNN und Fox, und wie viele andere kann ich kaum glauben, mit was für einer Verantwortungslosigkeit und Ignoranz unser Präsident seinen Job macht. Aber die Welt wird solche Phasen durchstehen. Die Menschen werden erkennen, dass das Leben, die Liebe zu deinen Nächsten grösser und mächtiger sind als Grenzen, Kleingeistigkeit und Geld. Das Leben ist eine wunderbare Sache, lasst es uns geniessen.
Ja. Ich suche immer nach Momenten, in denen ich alles runterfahren kann. Versuche, mein Leben zu verlangsamen, das Schöne hinauszuzögern, auch einfach mal nur dazusitzen und in den Himmel zu schauen. Ich stehe morgens meist gegen 5 Uhr auf, zwei Stunden vor dem Rest der Familie, alle schlafen noch. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, vom Highway hörst du noch kein Auto, das Haus ist ruhig. Das ist mein Moment der Stille.
Das Alter ist doch schon da (lacht). Wenn wir auf Festivals spielen, treffe ich Musiker, die 15 oder 20 Jahre jünger und viel hübscher sind als ich. Während ich in meinem Bart immer mehr graue Haare entdecke. Aber ich mag das. Vor langer Zeit spielten wir mit Neil Young, ich stand hinter der Bühne und bewunderte diesen forschen, lauten, genialen Kauz mit seinem langen, grauen Pferdeschwanz. Bald werde ich auch so aussehen. Ich freue mich drauf.