Mehr als 40 Jahre klingen The Pretenders mit Sängerin Chrissie Hynde immer frisch. Wie ein Spätwerk klingt auch das neue Album nicht.
Sie fackeln nicht lange. Die 68-jährige Chrissie Hynde und ihre Musiker haben ein Album eingespielt, das partout nicht klingen mag wie ein Spätwerk. Zehn Songs, die Hälfte der Lieder nicht mal auf drei Minuten lang. Aber es ist alles drin: «Hate For Sale» kommt teilweise dem Punk sehr nah. Wir haben die Sängerin in ihrem Londoner Appartement erreicht, wo sie derzeit vor allem malt.
Ex-Tennisstar John McEnroe liebt euer neues Album.
Chrissie Hynde: Ja, ich war unheimlich beruhigt, als John mir das sagte. Von Tennis habe ich zwar keine Ahnung, aber John und ich sind seit vielen Jahren befreundet. Er hat eine unglaubliche Sensibilität für traditionelle Rockmusik. Wenn John etwas klasse findet, dann ist es klasse.
«Hate For Sale» ist das erste Pretenders-Album, das Sie mit Ihrer langjährigen Tourband aufgenommen haben. Was war euer Ansatz?
Einfach Spass zu haben! Wir sind für drei Wochen nach Frankreich in ein Häuschen gegangen und haben uns dort total der Musik gewidmet. Dass wir die Platte in unserer eingespielten Viererbesetzung aufnehmen wollten, stand von Beginn der Arbeit an felsenfest.
Die letzten Pretenders-Alben wurden in Stockholm und Nashville aufgenommen. Jetzt sind Sie in London geblieben. Weshalb?
Wir wollten alles bewusst eine Nummer kleiner halten. Ich bin das Fliegen so leid. Wenn es nach mir ginge, würde ich nie wieder im Leben ein Flugzeug betreten. Ich habe die Welt gesehen, es reicht. Ausserdem ist manches einfach zu teuer geworden. Du hast nicht mehr das Geld, alles so gross aufzuziehen. Die teils grotesken Exzesse der 80er, als du noch Millionen für ein lächerliches Musikvideo ausgegeben hast, sind zum Glück vorbei.
Ihr seid vor nicht allzu langer Zeit allerdings mit Phil Collins durch Südamerika und mit Stevie Nicks durch Australien getourt.
Ich stehe kein bisschen auf diese grossen Stadionshows. Aber Phil und Stevie sind ganz feine Menschen, und ganz ehrlich, wir machen das, um am Leben zu bleiben. Man kann heute nicht mehr zu wählerisch sein, wenn man als Band ein Auskommen haben will.
Die Pretenders gibt es seit mehr als vierzig Jahren. Eure Hits «I’ll Stand By You» oder «Back On The Chain Gang» sind Evergreens. Fühlen Sie sich wohl als Ikone?
Nein, echt nicht. «Ikone» heisst doch, dass du alt wirst. Und wer braucht das schon? Man rutscht halt automatisch in diese Ikonen-Klasse rein, wenn man lange genug nicht gestorben ist.
Weshalb ist das Album so kurz?
Man will ja niemanden langweilen. Dreissig Minuten Musik, kurz und knackig, das war unsere Herangehensweise. Aber Punk ist es nicht, der existierte damals ja auch nur etwa sechs Monate lang. Als die Punks lernten, wie man die Instrumente benutzt, war es schon kein Punk mehr (lacht).
Der Titelsong «Hate For Sale» könnte inhaltlich von den Donald Trumps dieser Welt handeln.
Kann sein, das ist aber nicht meine Absicht gewesen. Es geht in diesen Songs nicht um irgendwelche Politiker. Sondern einfach um ein paar stereotype Mistkerle.
The Pretenders: Hate For Sale. Fünf Songs sind schon online. Physisch ab17.7.