Offbeat-Konzerte
Brad Mehldau träufelt süssen Leim ins Ohr

Mit einem Konzert des weltberühmten Pianisten Brad Mehldau verabschiedet sich die Offbeat-Konzertreihe in eine lange Sommerpause.

Anja Wernicke
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Wo andere Pianisten extra in die Tasten hauen, um auf sich aufmerksam zu machen und ihre Virtuosität zu beweisen, nimmt sich Mehldau vornehm zurück. (Symbolbild)

Wo andere Pianisten extra in die Tasten hauen, um auf sich aufmerksam zu machen und ihre Virtuosität zu beweisen, nimmt sich Mehldau vornehm zurück. (Symbolbild)

Keystone

Wie einen zähen Leim zieht Brad Mehldau die Töne im ersten Stück auseinander. Mit schnurgeradem Rücken und geschlossenen Augen sitzt der drahtige Pianist an seinem Instrument im gut besuchten Stadtcasino. Unbeweglich, fast etwas steif, ganz in seiner Welt. Er lächelt quasi nie. Der Bassist Larry Grenadier, der am Basler Jazzcampus unterrichtet, und der Schlagzeuger Jeff Ballard gestalten eine muntere, rhythmisch solide Struktur. Darüber stapelt Mehldau seine überraschend freien Harmonien in ungewöhnlichen Phrasen, die immer wieder abreissen und etwas Nebulöses-Schlaftrunkenes haben. Dieser süsslich-schwermütige Musik-Leim wirkt betörend, sensibel, aber niemals kitschig. Das verschleppte Tempo des ersten Songs und die extreme Dichte der Töne, die er durch eine enge Artikulation erzeugt, erlaubt er sich nur hier.

Die folgenden Stücke des Konzerts in der Offbeat-Reihe im Stadtcasino atmen zwar die gleiche, coole Ambiance. Doch in dieser extremen Ausprägung präsentiert der New Yorker Musiker die Lust an der fast zum Stillstand kommenden Musik nur zu Beginn.

Melancholische, sehnsuchtsvolle Klänge, die weite, fliessende Landschaften aufmachen, erklingen im zweiten Stück des Abends «Strange Gift». Diese Musik würde man am liebsten auf einer Zugfahrt hören. Hier steigert sich das Trio zu einer ersten Ekstase. Wo andere Pianisten extra in die Tasten hauen, um auf sich aufmerksam zu machen und ihre Virtuosität zu beweisen, nimmt sich Mehldau vornehm zurück. In der Szene gilt er eher als tiefsinniger Intellektueller, der sich auf klassische Musik beruft und für die «New York Times» schreibt.

Trotzdem scheut er sich nicht, auch Popsongs wie die von Nirvana zu verarbeiten. Mit «Si tu vois ma mère» des Saxofonisten Sidney Bechet erklang in Basel ein Jazz-Klassiker, bei dem die Melodie zunächst vom Bassisten Grenadier übernommen wurde. Als zweite Zugabe hiess es: «Hey Joe» nach Billy Robert, besser bekannt geworden durch Jimmy Hendrix. Das ursprüngliche Lied war dabei kaum wiederzuerkennen. Dafür spürte man, wie gut das Trio aufeinander eingespielt ist. In einer fantastisch langgezogenen Steigerung erreichen sie ein immer höheres Energielevel und einen immer volleren, strahlenderen Klang. Hier zeigte sich noch einmal die ganze Klasse Brad Mehldaus, der trotz des süssen Leims jederzeit sehr bewusst und intensiv spielt. Nur so richtig zum Ausbruch kommt die Energie bei ihm nie.

Einzig beim schweisstreibenden Schlagzeug-Solo von Jeff Ballard wurde die Euphorie nach oben getrieben. Doch Mehldaus Stärken liegen nun mal weniger im offensiven Jazz, als vielmehr im weichen, perlenden Klang. In dem Stück «West Coast Blues» von Wes Montgomery liess er den Flügel wie eine elektrische Orgel klingen.

Nachzügler des Jazzfestivals

Das Konzert ist ein Nachzügler, knapp zehn Tage nach Abschluss des diesjährigen Offbeat Jazzfestivals, das wieder einmal viele Stars in die Region brachte und über 8000 Zuschauer anzog. Die Offbeat-Reihe wird am 23. Oktober mit Gregory Porter fortgesetzt.

Das Konzert von Bobby McFerrin, das für den 22. Juni geplant war, wurde aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Ein Ausweichtermin wird im Sommer bekannt gegeben.