Erinnerungen
Artur Beul aus Einsiedeln – er war der erste Schweizer Hit-Komponist

Am Mittwoch würde Artur Beul 100-jährig. Hermann Beul erliegt 1918, nur 39 jährig, einem Nierenleiden und Artur wächst allein mit seiner Mutter auf. Rückblick auf das bewegte Leben eines Welthit-Komponisten.

Rosmarie Mehlin
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Arthur Beul und seine erste Ehefrau, die damals weltberühmte deutsche Sängerin Lale Andersen, geben 1953«In unserem Garten blühen Rosen» zum Besten. KEYSTONE

Arthur Beul und seine erste Ehefrau, die damals weltberühmte deutsche Sängerin Lale Andersen, geben 1953«In unserem Garten blühen Rosen» zum Besten. KEYSTONE

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«Es war und ist ein aufregendes und schönes Leben, und ich brauche nicht fremde Worte zu zitieren, um zu sagen ‹Nach Regen scheint Sonne›...», schliesst Artur Beul seine 1994 niedergeschriebenen Erinnerungen.

Als er am 9. Dezember 1915 in Einsiedeln zur Welt kommt, fliesst Künstlerblut in seinen Adern: Sein Vater Hermann ist ebenso Kunstmaler, wie es dessen im Jahr zuvor verstorbener Vater Marius war. Hermann Beul erliegt 1918, nur 39 jährig, einem Nierenleiden und Artur wächst allein mit seiner Mutter auf. Als Siebenjähriger schickt sie ihn in den Klavierunterricht. «Der Lehrer war sehr streng und zögerte auch nicht, mir Stockschläge auf den Hintern zu verabreichen, wenn ich zu Hause meine Übungen nicht nach seinen Vorstellungen absolviert hatte», schreibt Beul Jahrzehnte später in seinen Erinnerungen.

Der Startschuss: Mit 27 Jahren nimmt Artur Beul seine erste Schallplatte «Am Himmel stoht es Stärnli» auf. Es ist der Anfang einer Weltkarriere.

Der Startschuss: Mit 27 Jahren nimmt Artur Beul seine erste Schallplatte «Am Himmel stoht es Stärnli» auf. Es ist der Anfang einer Weltkarriere.

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In Einsiedeln besucht Beul die Klosterschule. Zeitlebens bleibt er tief gläubig, verehrt insbesondere Niklaus von der Flüe. Während der Rekrutenschule in Sachseln besucht er täglich dessen Grab in Flüeli Ranft. «Der damalige Pfarrer schenkte mir eine kleine, wertvolle Reliquie, einen Holzsplitter vom allerersten Sarg des Heiligen.»

Vom Lehrer zum Pianisten

Beul studiert in Zürich und Fribourg und tritt, 26-jährig, in Willerzell bei Einsiedeln seine erste Stelle als Aushilfslehrer an. Dort komponiert er für seine Schüler Lieder, die später zu Grosserfolgen werden, wie «Stägeli uf, Stägeli ab», «Übere Gotthard flüged Bräme», «Mir zwei underem Rägeschirm».

In seinen Erinnerungen wandern beim Thema Regen seine Gedanken zurück in seine Zeit als Soldat, und dass er einmal mit einem Regenschirm eingerückt war. «Da wir direkt unter den Dachziegeln einer Scheune einquartiert waren, hatten wir oft starken Durchzug und davor wollte ich mich schützen, indem ich ihn über meinem Kopfkissen aufspannte.»

Sein erstes Lied, «Am Himmel stoht es Sternli z’Nacht», schreibt er bereits als 18-Jähriger, nicht im Traum daran denkend, dass es Jahre später seine Karriere als Komponist und Pianist begründen wird: Anfangs der 40er-Jahre sieht Beul auf der Bühne vom Zürcher Corso erstmals die singenden Geschwister Schmid. Begeistert schickt er Klärli, Werner und Willy sein Erstlingswerk. Dem gerade mal 25-, 16- und 14-Jährigen, aber bereits weitherum bekannten Trio aus Hägglingen gefällt das Lied. Als Teddy Staufer, der Komponist ihres Grosserfolgs, dem «Margritli-Lied», in die USA zieht, nehmen die Schmid-Geschwister 1942 «Am Himmel stoht es Stärnli» auf Schallplatte auf.

Nach dem Tod der Mutter 1944 gibt Beul den Lehrerberuf auf und wird für die nächsten zehn Jahre Hauskomponist und Begleiter am Flügel der Geschwister Schmid: «Aus einem jungen Klavierschüler, der alles gerne machte ausser Klavierspielen, wurde nun ein berufsmässiger Pianist.»

1944 schreibt er «Nach em Räge schint Sunne», das zu seinem erfolgreichsten Hit werden soll. Das Trio Schmid allerdings will von dem Lied nichts wissen. Schliesslich nimmt das Duo Martheli Mumenthaler und Vreneli Pfyl es 1945 auf Schallplatte auf. Wenig später kommt «Nach em Räge schint Sunne» auch in Deutschland, Österreich, Holland, Italien und Amerika heraus, wo es in der Version der Andrew Sisters ein halbes Jahr lang die Spitze der Hitparade belegt.

Beul spielt in dieser Zeit auch täglich im Zürcher Apollo-Kino auf der grössten schweizerischen Kino-Orgel und ist eine Saison lang vom Circus Knie engagiert «als Harmonium-Spieler ganz oben in der Zirkuskuppel». Über 60 Jahre lebt er in seinem Haus in Zollikon bei Zürich. 1949 heiratet er die Deutsche, durch das Soldatenlied «Lili Marleen» weltberühmte Sängerin Lale Andersen. Lale Andersen stirbt 1972, sechs Jahre später heiratet Beul die Baslerin Pat Gysin.

Neben dem Komponieren sind Malen und Gedichte schreiben Leidenschaften, die Beul ebenfalls intensiv auslebt. «Oft fand ich meine drei künstlerischen Talente eher nachteilig. Ich konnte mich nie für eines ganz entscheiden.» In den 50er-Jahren weilt er sehr häufig malend an der Côte d’Azur. «Spätabends ging ich an die Croisette und stellte meine Bilder zum Verkauf an eine Gartenmauer. Eines Abends stand da ein junger Mann mit ungepflegtem Bart. Auf dem Boden lagen etwa 20 Bilder von Schiffen, die aus lauter bunten Farbflecken bestanden.» Der Künstler war Friedensreich Hundertwasser.

Arbeitet für andere Interpreten

Das ist eine von Beuls unzähligen Begegnungen mit bedeutenden Künstlern, wie Franz Lehár, Maurice Chevalier, Heinz Rühmann und Ralph Benatzky. Beul ist befreundet mit Erika Mann, Marika Rökk, Romy Schneiders Mutter Magda; die pfeifende Sängerin Ilse Werner ist Trauzeugin bei seiner Heirat mit Lale, für seinen Freund Hans Albers schreibt er mehrere Lieder, darunter «Sag, wie heisst Du, süsse Kleine» und «Nic ist braun wie eine Kaffeebohne».

«Man fragte mich oft, wie ich ein Lied komponiere. Ich kann nicht erklären, wie das geht. Entweder man hat einen guten Einfall oder man hat ihn nicht. Auch als ich meine vielen Ballettbilder malte, hatte ich Perioden, wo mir einfach der zündende Funken fehlte. Das Gleiche erlebe ich beim Schreiben von Gedichten. Es gibt Zeiten, da schreibe ich mehrere an einem Tag und plötzlich ist damit wieder Schluss.»

Nach seinem 90. Geburtstag verabschiedet sich Artur Beul definitiv von der Bühne. Er stirbt am 9. Januar 2010 in Küsnacht.