Pop
«Andere gehen joggen, ich schreibe einen Song»

Die Aufnahmen für das neue Solo-Album der einstigen Swandive-Sängerin Annakin waren ein Abenteuer in Sachen internationaler Perspektive.

Hanspeter Künzler
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Ein solches Studio finde man in der Schweiz wahrscheinlich nirgends, meint Ann Kathrin Lüthi – alias Annakin – und gerät sogleich ins Schwärmen. Assault & Battery ist ein Studiokomplex in einer Ecke des Londoner Stadtteiles Willesden, dessen Musikgeschichte in die Sixties zurückreicht. Von Pink Floyd über Yes bis Paul McCartney haben sie alle einst vor den damaligen Morgan Studios ihre Aston Martins geparkt.

Assault & Battery wurde vom Produzentenduo Alan Moulder/Flood (Killers, U2, Depeche Mode) eingerichtet. Annakin verkehrte hier, weil auch das Studio ihres Produzenten Dimitri Tikovoi Teil des Komplexes ist. Man habe den diversen Produzenten im Haus immer angesehen, wenn ihnen ein Durchbruch gelungen sei, berichtet Annakin: «Sie hatten so ein Strahlen im Gesicht.»

«Die Leute sind so cool»

Mit ihren ersten beiden Solo-Alben schnupperte Annakin, einst die Stimme der Trip-Hop-Gruppe Swandive, Schweizer Hitparadenluft. Dabei liebäugelte sie immer mit der internationalen Perspektive. Schon hier – «Falling Into Place» und «Torch Songs» – war ein Londoner Produzent (Jono Buchanan) neben ihr an den Reglern gestanden. Für ihren nächsten Streich schwebten Lüthi indes neue Töne vor. Auf der Suche nach einem zweiten Produzenten, der die Klangpalette weiter ausweiten könnte, forstete sie ihre Plattensammlung durch.

Sie stellte fest, dass die Produzenten vieler Lieblingskünstler – Depeche Mode, Coldplay, Goldfrapp, Archive – von einer bestimmten Management-Firma vertreten wurden. Sie rief an, schickte einige Demo-Aufnahmen hin – und wartete. Nach langer Zeit kam plötzlich ein Anruf: Dimitri Tikovoi (Placebo, Ian Brown, Les Rita Mitsouko) gefielen die Lieder, sie solle doch nach London kommen. «Alles lief dann sehr kurzfristig, aber auch sehr unkompliziert», berichtet Annakin.

Von Arroganz oder Vorurteilen nichtbritischen Musikern gegenüber bekam sie nichts zu spüren: «Die Leute sind so cool. Bei denen gilt der Grundsatz, dass zu 50 Prozent die Musik super sein muss und zu 50 Prozent die Leute cool, dann arbeiten sie mit dir. Dimitri sagte mir einmal, wenn ich einen idiotischen Manager vorgeschickt hätte, wäre ich nie hereingekommen.»

Emotionaler und dunkler

«Icarus Heart» heisst das neue Album. Es spricht daraus ein deutlich gestärktes Selbstvertrauen, eigene Wege zu gehen. Ein feines Ohr für eingängige Melodik wird mit ungewöhnlichen Arrangements und Texten verbunden. Dabei wirkt «Icarus Heart» emotionaler und auch eine Spur dunkler als die Vorwerke. «Das Album behandelt Themen, die mich viel beschäftigt haben», sagt Annakin. «Vielen Texten liegen Ereignisse zugrunde, die sich zugetragen haben, aber natürlich sind sie so geschrieben, dass Fiktion aus ihnen wird, dass sie allgemeingültig werden. Es ist für mich ein sehr persönliches Album. No Bullshit, das nahm ich mir fest vor. Es ist ein bisschen ‹Talking Cure›. Wenn andere joggen gehen, schreibe ich einen Song.»

Annakin Icarus Heart. Akin/Phonag.
Erscheint am 21. Januar.