MUNDART: «Wir holen sie aus den Nischen»

Die Dialektkultur boomt. Nur hört man den Romanen, Songs und Reimen vor lauter Vertrautheit die Kunst oft nicht an. Das neue Mundartfestival in Arosa/Lenzerheide will dem Dialekt eine Plattform bieten.

Peter Hummel
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Bänz Friedli, der künstlerische Leiter, und Liedermacherlegende Walter Lietha vor dem Bergkirchli Arosa. (Bild: Peter Hummel)

Bänz Friedli, der künstlerische Leiter, und Liedermacherlegende Walter Lietha vor dem Bergkirchli Arosa. (Bild: Peter Hummel)

Peter Hummel

ostschweizerkultur

@tagblatt.ch

In Zeiten der Globalisierung gewinnt das Lokale an Bedeutung, auch in der Sprache. Mundart ist die Sprache, in der man Witze erzählt, träumt, WhatsApp-Mitteilungen schreibt. Mehr denn je lebe unsere Mundart aber auch im Spannungsfeld zwischen Bewahren und Erneuerung, Akzeptanz und Dünkel, sagt Kabarettist Bänz Friedli. Zum einen feiern hochstehende Musicals wie «Mein Name ist Eugen» oder «Sgt. Pepper» Erfolge auf Schweizerdeutsch. Gleichzeitig meiden die grossen Theater die Mundart; ihr haftet noch immer der Ruch des Zweitklassigen an. Mundart ist aber nicht «niedere» Sprache. Wer meint, Hochsprache sei stets hochstehend, höre sich das oft haarsträubende Deutsch der Parlamentarier an. «Andererseits wird in der Popmusik Mundart für weltferne Heimattümelei missbraucht», bedauert Friedli. Als künstlerischer Leiter des Mundartfestivals verspricht er, authentische Künstler auftreten zu lassen.

Bänz Friedli, landauf landab gibts schon zu viele Festivals, und Arosa ist mit dem Humor-Festival und Lenzerheide mit dem Zauberwald eigentlich bestens bedient. Braucht es da wirklich noch ein neues Mundartfestival?

Man kann die Frage stellen, die Schweiz hat tatsächlich eine Festivalflut, aber: Dies ist ja nicht «just another one», sondern eines, das gefehlt hat. Abgesehen von der Mundartnacht in Solothurn fehlt für die Mundart eine künstlerische Plattform, die alle Genres zusammenbringt. Für mich war das Angebot einer Carte Blanche als künstlerischer Leiter verlockend. Ich konnte deshalb sofort zusagen, unter der Bedingung, dass wir kein 1000er-Zelt füllen müssen wie das Arosa-Humor-Festival – obwohl ich dort selber letztes Jahr einen beglückenden Auftritt erleben durfte.

Sondern?

Wir bespielen bestehende kleinere Schauplätze, charmante Säle in Hotels wie das Arosa Kulm und das Guarda Val in Sporz-Lenzerheide sowie ungewöhnliche Orte wie das Bergkirchli Arosa, das Gipfelrestaurant Weisshorn und das Kulturhuus Langwies.

Exklusive Bühnen sind gut und recht, nur wird dazu auch ein exquisites Programm geboten?

Wir haben immerhin zwei Buchpremieren; für mich macht den Reiz des Programms aber die Vielfalt aus. Es gibt einen bisher kaum gesehenen Mix aus Newcomern und gestandenen Grössen. Wir zeigen die Mundart in ihrer künstlerischen Breite und holen die Sparten aus ihren Nischen heraus, wie etwa den Slam-Contest. Das reicht von der Romanlesung bis zur Slam Poetry, vom Liedermacher bis zum Hip Hop. Von der Walser Erzählerin Marietta Kobald-Walli über Walter Lietha bis zu Pedro Lenz und Züri West. Nicht fehlen durfte ein Bündner Idiom: Mit Liricas Analas haben wir Lokalhelden dabei, die auf Sursilvan am Samstagabend rappen.

Allerdings fällt auf, dass das Comedy-Genre fehlt.

Nicht ganz, Gülsha ist kabarettistisch, Renato Kaiser ein begnadeter Satiriker. Aber natürlich gilt es, das Humor-Festival in Arosa nicht zu konkurrenzieren. Wir müssen aber auch nicht in dessen Schatten stehen. Ich sehe uns als kleine Schwester des Humor-Festivals und kann mir gut vorstellen, dass wir künftig neuere Schweizer Comedy-Acts helfen aufzubauen.

Die Szene hat ja nicht unbedingt auf so ein Festival gewartet. Konnten Sie die Wunschnamen bekommen?

Doch, mich dünkt, man habe förmlich darauf gewartet. Nur Franz Hohler sagte ab, weil er an der Frankfurter Buchmesse weilt. Ich musste zum Glück nicht bei null anfangen – durch das ­Humor-Festival ist zumindest «Arosa» schon mal ein guter Name.

Dann entspricht es keinem Zufall, sondern Ihrer Überzeugung, dass mit Gülsha und Kaiser gleich zwei Ostschweizer Talente auftreten?

O ja! Dem Rap und der Slam Poetry ist es zu verdanken, dass sich die verfemten Ostschweizer Dialekte emanzipiert haben und die jahrzehntelange Dominanz des Berndeutschen in der hiesigen Popkultur gebrochen wurde. Die forsche TV-Frau Gülsha Adilji vertritt die Stimme einer neuen, unverblümten Generation, und Renato Kaisers Mix aus Stand-up-Comedy und Spoken Word ist gleichermassen zum Krummlachen wie Nachdenken.

Gibt es Pläne für die Weiterentwicklung des Festivals?

So wie nun bereits mit dem Podiumsgespräch am ersten Abend soll künftig noch vermehrt über Mundart debattiert werden, sollen Begegnungen und Austausch stattfinden. Vernetzung ist uns wichtig.