Mörderische Medizin

Side Effects Steven Soderbergh spielt im wendungsreichen Pharma-Thriller einmal mehr souverän mit klassischen Mustern.

Walter Gasperi
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Nichts scheint, wie es ist: Szene mit Jude Law und Rooney Mara in Soderberghs Thriller «Side Effects». (Bild: pd/Ascot Elite)

Nichts scheint, wie es ist: Szene mit Jude Law und Rooney Mara in Soderberghs Thriller «Side Effects». (Bild: pd/Ascot Elite)

Steven Soderbergh hat in den letzten 24 Jahren 26 Filme seit seinem fulminanten Début «Sex, Lies, and Videotape» (1989) gedreht; nicht einmal Woody Allen kann es mit ihm an Produktivität aufnehmen. Doch nun will der 50-Jährige sich vom Filmgeschäft zurückziehen, höchstens noch für Fernsehen und Bühne arbeiten, sich der Malerei widmen und Bücher schreiben. Ein weiterer Film ist mit «Behind the Candelabra» zwar schon fertig. Doch das Biopic über den Pianisten und Entertainer Liberace, das im Wettbewerb von Cannes uraufgeführt wird, wurde nicht fürs Kino, sondern für den Fernsehsender HBO gedreht.

Auf Hitchcocks Spuren

Dass Soderbergh arbeitsmüde oder lustlos ist, sieht man «Side Effects» allerdings in keiner Szene an. Mit der ersten Einstellung, in der die Kamera über eine Strasse zu einer Hausfassade schwenkt, dann auf ein Fenster zoomt und mit einem Schnitt in die Wohnung wechselt, zitiert er gleich geschickt den Beginn von Hitchcocks «Psycho». Wie der «Master of Suspense» in diesem Klassiker die Publikumserwartungen düpierte, indem er die vermeintliche Protagonistin nach 30 Minuten sterben liess, so weckt auch Soderbergh beim Zuschauer zunächst den Glauben zu wissen, in welche Richtung sich die Handlung entwickelt, schlägt dann aber überraschende Haken. Im Mittelpunkt steht die junge Emily, die an Depressionen leidet. Nach einem Selbstmordversuch sucht sie den Psychiater Jonathan Banks (Jude Law) auf, der ihr Psychopharmaka verschreibt, deren Nebenwirkungen allerdings fatale Folgen haben. Mehr zu verraten, hiesse dem Zuschauer viel von der Spannung des Thrillers zu rauben.

Kritik an der Pharmaindustrie

Noch einmal zeigt Soderbergh, der unter den Pseudonymen Mary Ann Bernard und Peter Andrews erneut auch für Schnitt und Kamera verantwortlich zeichnet, wie souverän er zu inszenieren versteht, wie sicher er die Zügel immer in der Hand hält. Im Stil seiner sozialkritisch engagierten Filme wie «Erin Brockovich» oder «Traffic» lässt er «Side Effects» als scharfe Kritik an der Pharmaindustrie beginnen. Permanent rückt er die Werbung für Glück versprechende Pillen ins Bild, zeigt auch, wie diese Branche Ärzte für ihre Zwecke instrumentalisiert, an der Börse mit Medikamenten Geschäfte gemacht werden können.

Der Schein trügt

Doch diese Ebene verlässt «Side Effects» spätestens in der Mitte, arbeitet mit Elementen des Gerichtsdramas ebenso wie mit denen des Paranoia-Thrillers und des Film Noir und verschiebt auch den Schwerpunkt von Emily, die von Rooney Mara überzeugend als zerbrechliche Frau gespielt wird, zu ihrem Psychiater. Mit stets neuen Wendungen wird das zunächst aufgebaute Bild mehrfach zerstört und dem Zuschauer förmlich der Boden unter den Füssen weggezogen. So hanebüchen freilich diese Twists sein mögen, wohlige Spannung ist dank der ebenso eleganten wie dichten Inszenierung sowie der erstklassigen Besetzung dennoch garantiert. Die Pharmakritik verpufft freilich bei diesem fintenreichen Spiel rasch.

Ab heute in den Kinos.